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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 24.3 Kommunikation

Die Psychologie des Umgangs mit Tierhaltern

veröffentlicht 10/03/2021

Geschrieben von Franco Favaro und Serena Adamelli

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español , English und ภาษาไทย

Oft schaffen sich Menschen Haustiere in erster Linie zur Befriedigung eigener psychologischer Bedürfnisse an, wie zum Beispiel dem Wunsch nach einem Gefährten. In den meisten Fällen stellen zukünftige Besitzer bei der Wahl eines Haustieres ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen in den Vordergrund und berücksichtigen dabei nicht immer in ausreichendem Maße auch die Bedürfnisse des Tieres.

Besitzer bieten ihrem Tier oft zusätzliche Snacks an, zum Beispiel während der Zubereitung der eigenen Nahrung.

Key points

Gesunder Menschenverstand, eine logische Argumentation und schlüssige Instruktionen eines Experten reichen nicht immer aus, um Verhaltensmuster eines Besitzers gegenüber seinem Tier zu verändern. Nur eine Minderheit der Tierbesitzer hält diesbezügliche Behandlungsanweisungen genau ein, und die Compliance wird mit der Zeit immer schlechter.


Die Beziehung zwischen Besitzer und Tierarzt ist zugleich ein integraler Aspekt wie auch eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg diätetischer Anweisungen. Der Tierarzt muss zwar kein Psychologe sein, er muss aber das Kommunikationsmanagement beherrschen und die Mechanismen kennen, die menschliche Beziehungen bestimmen.


Mit der Kenntnis einiger der wichtigsten „sozialen Regeln”, mit deren Hilfe Menschen dazu gebracht werden können, etwas zu tun, kann der Tierarzt einen Besitzer besser davon überzeugen, dass seine Instruktionen umgesetzt werden sollten.


Einleitung

Oft schaffen sich Menschen Haustiere in erster Linie zur Befriedigung eigener psychologischer Bedürfnisse an, wie zum Beispiel dem Wunsch nach einem Gefährten. In den meisten Fällen stellen zukünftige Besitzer bei der Wahl eines Haustieres ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen in den Vordergrund und berücksichtigen dabei nicht immer in ausreichendem Maße auch die Bedürfnisse des Tieres. In einer idealen Welt würde sich ein Besitzer vor der Anschaffung eines Haustieres zunächst beim Tierarzt informieren über die optimale Haltung eines Tieres und über die Art und Weise, wie die Tier-Mensch-Beziehung optimal gestaltet werden kann. Leider geschieht dies in der Realität aber nur selten. Die mangelnde Berücksichtigung der „Kompatibilität“ zwischen der Lebensweise des Besitzers, den Gründen für die Anschaffung des Tieres und den Bedürfnissen des Tieres hat einen ganz entscheidenden Einfluss darauf, ob die Art der Tierhaltung den Anforderungen aller Beteiligten gerecht wird. Letztlich wird dadurch nicht nur das Wohlbefinden des Tieres gefährdet, sondern es steht auch der Erfolg der Beziehung zwischen Tier und Besitzer auf dem Spiel.

Ein zentral wichtiger Aspekt der Tierhaltung, bei dem die Einstellung von Besitzern in vielen Fällen die grundlegenden Bedürfnisse des Tieres nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, ist die Fütterung. Was ihre diätetischen Bedürfnisse betrifft, sind die meisten Haustiere nahezu vollständig abhängig von ihren Besitzern. Tierärzte stellen oft fest, dass sich viele Besitzer gar nicht darüber im Klaren sind, dass sich die diätetischen Bedürfnisse verschiedener Tiere in erheblichem Maße unterscheiden können, und dass selbst die unterschiedlichen Ernährungsanforderungen von Hunden und Katzen oft nicht wahrgenommen werden. Ein schlecht informierter, sorgloser oder gar ignoranter Besitzer wird immer dazu neigen, sein Tier auf eher planlose und vereinfachende Weise zu behandeln, und in verschiedenen Situationen, wie zum Beispiel bei der Fütterung, ein eher anthropomorph geprägtes Verhalten an den Tag legen. Das Tier wird schließlich zum Opfer des unsachgemäßen Verhaltens seines Besitzers mit gelegentlich schwerwiegenden und/oder pathologischen Folgen, wie zum Beispiel Übergewicht oder Adipositas. 

Tierärztliches Handeln

In Fällen, in denen die Entstehung solcher Situationen nicht schon im Vorfeld durch Übermittlung geeigneter Informationen verhindert werden kann, muss der Tierarzt eingreifen, um die falsche Ernährung des Tieres zu korrigieren. Es geht dabei aber nicht nur einfach um die Auswahl der geeigneten Nahrung zur Förderung einer Gewichtsreduktion oder zum Erhalt eines idealen Gewichts. Ernährungsexperten beobachten, dass eine Gewichtsreduktionsdiät per se unter praktischen Bedingungen nicht immer zum angestrebten Ziel führt, da sich die häusliche Situation oft recht deutlich von den standardisierten Bedingungen unterscheidet, unter denen entsprechende Produkte entwickelt und erfolgreich getestet wurden 1. Einer der Hauptgründe für das Scheitern von Diäten ist die Art der Beziehung, die sich zwischen Tier und Besitzer entwickelt hat. Bei der Planung notwendiger Maßnahmen für eine Korrektur der Art der Fütterung und eine Vermeidung einer unangemessenen Verwendung von Nahrung darf der Tierarzt weder die Bedeutung der Mensch-Tier-Bindung, noch die Art und Weise des Umgangs mit dem Besitzer unterschätzen.

Der sachgerechte Umgang mit der Nahrung und die richtige Fütterung erleichtern den Umgang mit dem Tier und seine Haltung insgesamt, weil der Besitzer so in der Lage ist, klar und konsequent mit seinem Tier zu kommunizieren, so dass dieses letztlich motivierter und gehorsamer ist. Entscheidend ist daher eine sehr klare Erläuterung selbst noch so trivial anmutender diätetischer Anweisungen – wie zum Beispiel der Anzahl und der Zeiten der Mahlzeiten – damit die pro Mahlzeit gefütterte Menge streng kontrolliert wird und überflüssige oder sogar schädliche „Zwischenmahlzeiten” zuverlässig verhindert werden. Ohne entsprechend strenge Regelungen besteht die große Gefahr, dass Besitzer ihren Tieren Extrasnacks während ihrer eigenen Mahlzeiten geben (Abbildung 1), zum Beispiel, um damit unerwünschtes Verhalten von Seiten des Tieres zu unterbinden (z. B. Betteln, unaufhörliches Bellen oder Miauen).

Abbildung 1. Besitzer bieten ihrem Tier oft zusätzliche Snacks an, zum Beispiel während der Zubereitung der eigenen Nahrung. © Shutterstock

Neben der Fütterung des Tieres muss auch seiner körperlichen Bewegung eine wichtige Rolle zugedacht werden. Bei Hunden sind entsprechende Aktivitäten im Rahmen der täglichen Spaziergänge relativ einfach zu erreichen. Art, Menge und Intensität der körperlichen Belastung müssen jedoch der Größe des Hundes angepasst werden. Bei Katzen kann körperliche Aktivität erreicht werden durch Futter spendende Spielzeuge (Abbildung 2) oder durch das Verstecken des Futters an Orten, die Katzen nur durch körperliche Bewegung wie Klettern erreichen können. Diese Maßnahmen berücksichtigen darüber hinaus viele ethologische Bedürfnisse eines Tieres (z. B. Erkundungsverhalten, Jagdverhalten und innerartliche sowie zwischenartliche soziale Kontakte) und bieten dem Besitzer die Möglichkeit, zahlreiche Freude bringende Aktivitäten mit seinem Tier zu teilen.

Abbildung 2. Mit Hilfe von Futter spendendem Spielzeug („Activity Feeder“) werden Katzen zu körperlicher Bewegung angeregt. © Shutterstock

Die Tierarzt/Besitzer-Beziehung

Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der tierärztlichen Anweisungen muss sichergestellt sein, dass, wer auch immer das Tier füttert, diese Informationen nicht nur richtig verstanden hat, sondern sich auch zuverlässig an diese Instruktionen hält. Eine Garantie für eine wirksame Umsetzung gibt es allerdings weder bei mündlichen noch bei schriftlichen Anweisungen. Wie in der Humanmedizin wird in der Regel nur ein geringer Teil der Tierbesitzer sämtliche Anweisungen des Tierarztes umfassend und korrekt befolgen, wobei die Compliance erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit immer weiter abnimmt, das heißt, die Anweisungen werden immer weniger strikt befolgt.

In der Veterinärmedizin ist der Aufbau eines guten Verhältnisses mit dem Besitzer vielleicht noch wichtiger als in jeder anderen medizinischen Disziplin, um die korrekte Einhaltung tierärztlicher Anweisungen sicherzustellen. Der Besitzer übernimmt in diesem Prozess gewissermaßen die Rolle des „Tutors” seines Tieres. Tierärztliche Anweisungen werden deshalb in der Regel nur dann zu einem guten Ergebnis führen, wenn der Besitzer das richtige Verhalten an den Tag legt. Der Tierarzt muss verstehen, dass die Beziehung zwischen Besitzer und Tierarzt zugleich ein integraler Aspekt wie auch eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg diätetischer Instruktionen ist. Der Tierarzt muss sich zwar nicht in einen Psychologen verwandeln, er muss aber das Kommunikationsmanagement beherrschen und die Mechanismen kennen, die menschliche Beziehungen bestimmen.

Ganz entscheidend ist der erste Kontakt zwischen Besitzer und Praxis bzw. Klinik, oder vielmehr zwischen dem Besitzer und dem ersten Mitglied des Praxisteams, auf das dieser Besitzer trifft. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nicht nur Tiere einen „Überlebensinstinkt” haben, auch wir Menschen sind nicht frei davon. Bei Hunden und Katzen werden primitive Verhaltensmuster wie das Markieren des Territoriums sehr häufig beobachtet, während die über tausende von Jahren entstandenen, hochentwickelten sozialen und kulturellen Codes zur Folge haben, dass Menschen ihre eigenen primitiven Verhaltensmerkmale nicht unbedingt zeigen, zumindest nicht offen. Entsprechende Anzeichen sind deshalb heute in der Regel maskiert. In der einfachen Betrachtung ist das grundlegende Element eines jeden Lebewesens das Prinzip des Überlebens. Wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal begegnen, stellen sich beide Individuen unwillkürlich bestimmte Fragen auf der Ebene des Unterbewusstseins: Ist mir die andere Person freundlich oder feindselig gesonnen? Wird sie mich unterstützen oder bekämpfen? Wird sie in der Lage sein, auf meine Bedürfnisse einzugehen oder wird sie weiterhin eine Bedrohung darstellen?

In dieser Situation ist eine unmittelbare Reaktion des Individuums notwendig, die nach dem allgemein als „4 x 20”-Prinzip bezeichneten Schema abläuft. Dabei handelt es sich um vier kritische Elemente mit dem gemeinsamen Faktor 20, die hauptsächlich auf der Ebene des Unterbewusstseins initiiert werden, wenn sich zwei Menschen zum ersten Mal begegnen. Ziel ist es, schnell beurteilen zu können, ob es sich beim Gegenüber um „Freund oder Feind” handelt. Mit Hilfe dieses Prozesses gelingt es dem Individuum, das für das eigene Überleben notwendige Verhalten an den Tag zu legen. Die vier Elemente sind:

  • Alles ereignet sich innerhalb der ersten 20 Sekunden
  • Die ersten 20 gesprochenen Worte
  • Die ersten 20 Bewegungen des Sprechers
  • Die Ausdrücke innerhalb des 20 cm-Durchmessers des Gesichts der anderen Person

Der für den ersten Kontakt mit einem neuen Kunden verantwortliche Praxismitarbeiter muss sich dieses 4 x 20-Phänomens bewusst sein und sicherstellen, dass der Kunde sich einer möglichst positiven und willkommen heißenden Haltung gegenüber sieht (Abbildung 3). Dieser erste Kontakt überzeugt den Kunden, dass alle Mitglieder des Praxisteams seine „Freunde” sind und auf seine Bedürfnisse eingehen werden. Die hierfür erforderlichen Charakterzüge sind eine aufmerksame, willkommen heißende Art mit einer freundlichen Grundhaltung und der Fähigkeit, zuzuhören. In anderen Worten, ein Verhalten, das ein Klima des Respekts und des Vertrauens schafft. Tierbesitzer beurteilen sicherlich die Umgebung und die Ausstattung der Praxis, sie schätzen aber auch die Vertrauenswürdigkeit und die professionelle Glaubwürdigkeit ein. Selbst wenn eine Praxis einen insgesamt hoch professionellen Eindruck macht, können nur einige wenige falsche Verhaltensmuster seitens des Personals ausreichen, um die Einschätzung des Kunden von „Freund” auf „Feind” umzuschalten, und die mit erheblichem zeitlichem und personellem Einsatz hergestellte Loyalität binnen weniger Augenblicke zu zerstören.

Abbildung 3. Die für den ersten Kontakt mit einem neuen Kunden zuständige Person sollte das „4 x20“-Phänomen verinnerlicht haben und muss eine möglichst willkommen heißende Ausstrahlung haben. © Shutterstock

Nach dem erfolgreichen ersten Schritt der Kontaktaufnahme müssen einige weitere Faktoren beachtet werden, die Interaktionen zwischen Menschen steuern. Diese Regeln gelten insbesondere für die Beziehung zwischen Tierarzt und Tierbesitzer. Wie in allen Beziehungen mit a priori ungleicher Rollenverteilung, muss derjenige mit der Führungsrolle (in diesem Fall der Tierarzt) die Beziehung zum Gegenpart (Besitzer) aktiv managen, indem er das Mittel des Dialogs ganz gezielt einsetzt, fast so, als sei es ein Instrument. Die Kommunikation sollte daher sehr bestimmt erfolgen, mit klarer, freundlicher, ruhiger Stimme, offenen Gesten und direktem Augenkontakt (Abbildung 4). Der Sprecher sollte eine aufrechte, entspannte und Aufnahmebereitschaft signalisierende Körperhaltung einnehmen und mit seinem Gesichtsausdruck Interesse und Engagement ausstrahlen. Nur in kritischen Situationen sollte der Tierarzt einen eher passiven und/oder nüchtern managerhaften Kommunikationsstil anwenden. Diese beiden Kommunikationsmethoden können sich beim Umgang mit schwierigen Individuen, wie zum Beispiel aggressiven, nervösen, unaufmerksamen, überheblichen, skeptischen oder unkooperativen Besitzern als hilfreich erweisen. Es ist aber wichtig, diese Kommunikationsstile zu verstehen und zu beherrschen, um sie als effektive Werkzeuge der Überzeugung oder Lenkung anwenden zu können. Beherrscht man diese Kommunikationsstile und ihren gezielten praktischen Einsatz nicht vollständig und sicher, ist es besser, eine affirmative Beziehung aufrechtzuerhalten und die andere Partei mit fordernden, zielorientierten Fragen einzubinden, um auf diese Weise eine Kooperation durch das Aufzeigen verschiedener Alternativen zu etablieren. Besitzer verfügen in der Regel über alle Informationen, die der Tierarzt braucht, um einen aussagekräftigen Vorbericht zu erstellen. Aus Gründen, die sich uns nicht immer erschließen, werden diese Informationen seitens der Besitzer aber häufig nicht freiwillig preisgegeben. Eher liefern Besitzer nur bestimmte Details, die sehr stark durch ihren eigenen Blick auf die Realität gefärbt sind.

Abbildung 4. Affirmative Kommunikation: Der Tierarzt spricht mit klarer, freundlicher und ausgewogener Stimme, unterstützt durch offene Gesten und direkten Augenkontakt. © Shutterstock

Der Umgang mit übergewichtigen Tieren


Übergewichtige oder adipöse Katzen haben nicht selten auch übergewichtige Besitzer (oder weitere Familienmitglieder), die die Folgen ihrer eigenen falschen Ernährungsgewohnheiten deutlich widerspiegeln (Abbildung 5). Falsche Ernährungsgewohnheiten der Besitzer haben in vielen Fällen offensichtlich auch Folgen für das Tier. In der Tat kann das Teilen spezifischer Umstände für Menschen in einer positiven Situation ein Element der Befriedigung darstellen, in negativen Situationen führt es letztlich aber zu weniger Verantwortungsbewusstsein, Schuld und Schamgefühlen. Wenn also sowohl Tier als auch Besitzer übergewichtig sind, besteht deshalb die Gefahr, dass der betroffene Mensch diese Situation als positiv wahrnimmt, oder zumindest als weniger negativ oder kritisch als dies andere Personen tun. Interessanterweise findet man in den Medien oder im Internet sehr häufig Fotos von übergewichtigen und/oder adipösen Menschen mit ihren Tieren, die oft ein positives, sympathisches Bild vermitteln, und dies trotz der Tatsache, dass in der Gesellschaft allgemein bekannt ist, dass Adipositas bei Mensch und Tier zu ernsten gesundheitlichen Problemen führen kann.

Abbildung 5. Manche Verhaltensweisen von Besitzern fördern die falsche Ernährung ihrer Tiere. © Shutterstock

Beim Umgang mit einem Besitzer, der sein Tier falsch füttert (und insbesondere, wenn auch der Besitzer oder Familienmitglieder übergewichtig sind), ist eine wirksame Kommunikation ganz entscheidend, und zwar sowohl als Instrument für die Diagnose als auch für die Überzeugung des Besitzers von der Notwendigkeit entsprechender Behandlungsmaßnahmen. Der anamnestische Dialog sollte daher nach Möglichkeit nicht auf offenen Fragen basieren, wie zum Beispiel: „Wann und was füttern Sie Ihrem Hund?“, sondern eher auf zielorientierten Fragen mit zwei möglichen Antwortalternativen, um so das Problem einzugrenzen und die Verhaltensmuster des Besitzers zu erkennen, zum Beispiel: „Füttern Sie Ihren Hund zu festgelegten Zeiten?“ oder „Befindet sich immer Futter im Napf Ihres Hundes?“ oder „Frisst das Tier immer allein oder begleitend zu den Mahlzeiten der Familie?“. Mit Hilfe einer so konzipierten, zielgerichteten Kommunikation kann der Tierarzt dem Besitzer zu verstehen geben, dass es unterschiedliche Fütterungs-verhaltensmuster gibt, die zum Teil negativ zu bewerten sind. Ziel dieser Form der Kommunikation ist es, den Besitzer in die Lage zu versetzen, zu erkennen, wie er sich selbst gegenüber seinem Tier verhält. Auf diese Weise können Besitzer einsehen, dass sie selbst es sind, die ungünstige Umstände schaffen, welche das Problem auslösen und/oder die Lösung des Problems verhindern.

Wenn der Besitzer erste Antworten geliefert hat, ist es ratsam, sich mit Hilfe folgender Sätze ein genaueres Bild der Situation zu verschaffen: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass...?“ „Kann ich also bestätigen, dass Sie Ihr Tier … füttern?“ „Nachdem, was Sie mir berichten, scheint es so zu sein, dass…“ Diese Wiederholungen und Zusammenfassungen der vom Besitzer gelieferten Informationen haben einige entscheidende Vorteile. Unter anderem kann dadurch eine Art von Allianz mit dem Besitzer geschaffen werden, und der Besitzer wird gewissermaßen zum Mitinitiator bei der Analyse und beim Verständnis des Problems. Darüber hinaus erhält der Besitzer auf diese Weise die Möglichkeit, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu analysieren (über die zur Wahl gestellten Alternativen). Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Beziehung zwischen Tierarzt und Besitzer gefestigt wird, da die wiederholende Zusammenfassung sehr deutlich die Absicht und den Willen des Tierarztes kommuniziert, zu überprüfen, ob das Problem erkannt und verstanden wurde und dadurch auch den Wunsch des Tierarztes dokumentiert, die Situation von Tier und Besitzer voll und ganz zu verstehen. In anderen Worten: Diese Form der Kommunikation stärkt das Konzept der Professionalität und unterstützt die Wahrnehmung seitens des Besitzers, dass der Tierarzt ein „Freund“ ist, der sich seines Problems mit großem Interesse und Engagement annimmt.

Wenn ein Besitzer erkennt, dass sein übergewichtiges oder adipöses Tier ein ernsthaftes Problem hat, und den Tierarzt aus eigenem Antrieb um Hilfe bittet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die tierärztlichen Anweisungen in hohem Maße befolgt werden. Wenn ein Besitzer auf der anderen Seite nicht von selbst einsieht, dass sein Tier tatsächlich unter einer potenziell gefährlichen Erkrankung leidet, und erst durch den Tierarzt auf das herrschende Problem und die notwendige Behandlung hingewiesen wird, werden die tierärztlichen Anweisungen oft nicht freiwillig und nicht in ausreichendem Umfang eingehalten.

Strategische Sprache

In diesen Situationen kommt der Sprache eine große strategische Bedeutung zu, damit die diätetischen Anweisungen erfolgreich umgesetzt werden. Wie menschliches Verhalten im Allgemeinen, so wird auch das Management der Fütterung durch viele Faktoren, wie zum Beispiel die Motivation, den Willen, Ziele zu erreichen, den Versuch, ein Gefühl des Wohlbefindens zu erreichen, Prinzipien oder den Wunsch, Freude zu erfahren getriggert. Gesunder Menschenverstand, logische Argumentation und schlüssige Instruktionen eines Experten reichen nicht immer aus, um Verhaltensmuster eines Besitzers zu verändern. Oft müssen bei Menschen erst Gefühle, Emotionen und Empfindungen geweckt werden, um die für die Einleitung von Verhaltensänderungen erforderliche Motivation zu generieren. Manchmal müssen auch „unterbewusste“ Bedürfnisse getriggert werden, um Veränderungen zu fördern. Das Unterbewusstsein kann definiert werden als der Teil einer Person, der nicht rational und bewusst agiert, aber „Gefühle“ generiert, die oft unsere Handlungen leiten. So sagt man beispielsweise, wenn man mit einer bestimmten Situation konfrontiert wird: „Ich weiß nicht warum, aber ich hatte das Gefühl, so handeln zu müssen….,“ „Ich handelte instinktiv, aber es schien in dieser Situation das Beste zu sein…“. Auch bei Besitzern adipöser Tiere kann es erforderlich sein, diese unterbewussten Wahlmöglichkeiten zu erleichtern. So kann beispielsweise die Verwendung von Metaphern, Anekdoten und einer Empfindungen auslösenden Sprache ein wirksamer Weg sein, um diese Motivationen auszulösen und es dem Zuhörer auf diesem Weg ermöglichen, bestimmte Verhaltensmuster als entweder günstig oder ungünstig wahrzunehmen (siehe nachstehenden Kasten).

Hilfsmittel wie Metaphern, Anekdoten und eine gefühlsbetonte Erzählweise können eingesetzt werden, um einem Zuhörer zu verdeutlichen, dass bestimmte Verhaltensmuster günstig oder ungünstig sind. Um zum Beispiel die Folgen einer sowohl hinsichtlich Menge als auch praktischer Organisation fehlerhaften Fütterung zu erläutern, könnte der Tierarzt folgende Metapher einsetzen:
„Stellen Sie sich vor, Sie sind ein kleiner Junge und wandern zusammen mit Ihren Eltern und einigen Freunden auf einem Gebirgspfad. Sie tragen einen Rucksack auf dem Rücken, und unmittelbar nach dem Loslaufen weisen Ihre Eltern Sie auf einen schönen, glänzenden Stein hin. Der Stein gefällt ihren Eltern so gut, dass sie ihn in Ihren Rucksack packen. Im weiteren Verlauf der Wanderung finden sie weitere schöne Steine und packen auch diese immer wieder in Ihren Rucksack. Sie dürfen aber keine Steine aus dem Rucksack herausnehmen. Wie würden Sie sich wohl nach mehrstündiger Wanderung und am Ende des Tages fühlen? Gibt man einem Tier zu viel zu fressen, und dies auch noch zu den falschen Zeiten, ist das in etwa genauso, als würden Sie den Rucksack dieses Jungen mit Steinen beladen!“


Soziale Regeln

Damit tierärztliche Anweisungen wirksam umgesetzt werden, muss zunächst der Besitzer von deren Richtigkeit und Wichtigkeit überzeugt werden. Der Tierarzt sollte in diesem Zusammenhang einige der wichtigsten sozialen Regeln kennen, die Menschen davon überzeugen können, etwas zu tun oder zu lassen. Richtig angewendet erleichtern diese Regeln dem Tierarzt, Besitzer davon zu überzeugen, dass verschiedene Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um das Wohlbefinden des Tieres zu verbessern.

  • Zuneigung. Menschen sagen in der Tat lieber „Ja!“ zu jemandem, den sie gut kennen und schätzen. Eine bestimmte Person mögen wir aus unterschiedlichen Gründen – z. B. wegen eines angenehmen äußeren Erscheinungsbildes, gleicher Affinitäten (z. B., wie sie bestimmte Dinge tun, wie sie sich kleiden), weil sie uns Komplimente machen oder weil wir derselben sozialen Gruppe angehören (z. B. Sportverein oder Gemeinde). Wichtig ist deshalb eine sorgfältige Beachtung des oben beschriebenen „4 x 20- Phänomens“, um die Grundlage für eine positive Beziehung zu schaffen. Dazu gehört unter anderem auch der Versuch, die Interessen des Gegenübers herauszufinden und ihm, falls es die Situation erfordert, diesbezüglich Komplimente zu machen.

  • Gegenseitigkeit („Reziprozität“). Dieser Regel zufolge versucht eine Person im Sinne der Gegenseitigkeit, das „zurückzuzahlen“, was ihr eine andere Person hat zu Gute kommen lassen. Eine in diesem Zusammenhang oft eingesetzte Strategie besteht darin, jemandem einen Gefallen zu tun, oder etwas zu geben, selbst wenn er nicht darum gebeten hat, und damit gewissermaßen zu verlangen, dass später eine entsprechende Gegenleistung erbracht wird. Der Tierarzt könnte diese Regel beispielsweise anwenden, indem er dem Tier einen kleinen Gegenstand zum Spielen gibt, während er fordert, dass seine Anweisungen befolgt werden („Ich haben Ihnen dieses Spielzeug geschenkt, da es Ihr Tier dazu bringen wird, sich mehr zu bewegen). Auf diese Weise wird der Besitzer dazu gebracht, nach der Regel der Reziprozität zu handeln, und den Anweisungen des Tierarztes zu folgen.

  • Konzessionen. Ein anderer Weg, einem Besitzer etwas anzubieten oder ihn von etwas zu überzeugen, besteht darin, die Anforderungen zu erhöhen, und dann einer Konzession zuzustimmen. So kann der Tierarzt beispielsweise den Besitzer bitten, seinem übergewichtigen Tier mindestens dreimal täglich je eine Stunde Bewegung zu verschaffen, und dann schließlich im Laufe des Dialogs ganz im Sinne der Konzessionsregel einer Eingewöhnungsphase zustimmen, in der das Tier vielleicht lediglich zweimal täglich jeweils nur 45 Minuten bewegt werden muss.

  • Soziale Bestätigung. Für die meisten Menschen ist wichtig, was andere Menschen denken, sagen oder tun, wenn sie sich entscheiden müssen, was sie selbst denken sollen oder wie sie sich selbst verhalten sollen. Mit anderen Worten: Es ist schwierig, die „Macht der Anderen“ zu ignorieren. Bei der Kommunikation mit einem Besitzer kann der Tierarzt beispielsweise Sätze sagen wie: „Die Dinge, die ich Ihnen gerade erläutert habe, sind wissenschaftlich erwiesen“ oder „ Besitzer, die diese Maßnahme umsetzen, erzielen durchweg gute Erfolge“ (Abbildung 6).




Abbildung 6. Soziale Bestätigung dient der Förderung der Compliance. Zeigt der Tierarzt einem Besitzer zum Beispiel, dass bestimmte Fakten wissenschaftlich untermauert sind, überzeugt dies den Besitzer von der Richtigkeit der tierärztlichen Anweisungen. © Franco Favaro

  • Engagement und Beständigkeit. Menschen sind offener für weitere Forderungen – selbst wenn diese beschwerlicher sind, als die ursprünglichen Instruktionen – wenn diese neuen Anforderungen klar mit dem ursprünglichen Ziel vereinbar sind. Hat also der Tierarzt einen Maßnahmenkatalog vorgeschlagen und der Besitzer ist darauf eingegangen, so können im Rahmen der nachfolgenden Konsultationen weitergehende Anforderungen gestellt werden, wenn der Tierarzt betont, dass auch diese neuen Maßnahmen ganz im Sinne des ursprünglich formulierten Ziels stehen.

  • Autorität. Menschen neigen sehr stark dazu, auf Autoritäten zu hören. Aspekte, die das Folgen einer Autorität beeinflussen, sind unter anderem Titel, Kleidung und Statussymbole, die der Art der auszuübenden Autorität entsprechen. Der Besitzer muss also sofort erkennen, dass sowohl die von ihm gewählte Praxis als auch der behandelnde Tierarzt über sämtliche Elemente verfügen, die diese Autorität vermitteln. So sollte der Tierarzt stets sauber und seiner Position angemessen gekleidet sein (Abbildung 7), die Rezeption sollte ein ordentliches Erscheinungsbild abgeben und die Qualifikationen des Praxispersonals sollten an prominenter Stelle deutlich hervorgehoben werden.


Abbildung 7. Der Tierarzt sollte seine Autorität mit allen hierfür notwendigen Elementen unterstreichen, zum Beispiel mit einer ordentlichen und seiner Position angemessenen Kleidung. © Shutterstock

Schlussfolgerung

Beim Umgang mit einem übergewichtigen oder adipösen Tier muss der Tierarzt die Beziehung zum Tierbesitzer sehr sorgfältig managen, um die Wirksamkeit seiner therapeutischen Intervention sicherzustellen, da das Ergebnis für den Patienten in ganz wesentlichem Maße davon abhängt, wie der Besitzer reagiert. Unter Umständen muss der Tierarzt dem Besitzer erst helfen, zu verstehen, dass die Adipositas für sein Tier ein schwerwiegendes gesundheitliches Problem darstellt, insbesondere, wenn der Besitzer selbst oder andere Mitglieder der Besitzerfamilie ebenfalls übergewichtig sind. Ganz entscheidend ist dabei die Vermittlung eines positiven ersten Eindrucks innerhalb der ersten Sekunden des Zusammentreffens mit dem Besitzer. Gelingt dies, entsteht die Empathie, die notwendig ist, um eine freundliche Beziehung zu entwickeln, in der der Tierarzt seine Autorität behält. Sowohl verbale als auch non-verbale Kommunikationsmittel müssen sehr sorgfältig und bedacht eingesetzt werden. So sollte der Tierarzt stets zielorientierte Fragen stellen und nach Möglichkeit klare Antwortalternativen vorgeben, die es dem Tierbesitzer ermöglichen, zu erkennen, dass er sein Tier falsch füttert, und ihn gleichzeitig dazu ermutigen, eine Lösung für das Problem zu finden und praktisch umzusetzen. Für die erfolgreiche Überzeugung eines Besitzers können die Kenntnis wichtiger sozialer Regeln und eine professionelle Autorität sehr hilfreich sein.

Der Tierarzt muss sich zudem stets darüber im Klaren sein, dass der Kommunikation eine ganz entscheidende Rolle zukommt, wenn es um die Compliance des Besitzers geht. Mit anderen Worten: Ist der Besitzer nicht überzeugt, werden die tierärztlichen Anweisungen womöglich nicht umgesetzt. Auch wenn dieser Weg gelegentlich sehr steinig erscheinen mag, sollten wir uns an dieser Stelle an die Worte des römischen Philosophen Seneca erinnern: „Nicht weil es schwierig ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwierig“.


Weiterführende Literatur

  • Watzlawick P, Beavin JH, Jackson DD. Pragmatics of human communication. New York, Norton 1967.
  • Watzlawick P, Weakland JH, Fisch R. Change. Rome, Astrolabio 1974.
  • Nardone G, Salvini A. Il dialogo strategico. Milan, Ponte alle Grazie 2004. • Cialdini RB. Influence: The Psychology of Persuasion, New York, Morrow and Co. 1984.
  • Horwitz D, Mills D, Heath S (eds). BSAVA Manual of Canine and FelineBehavioural Medicine. Gloucester, BSAVA 2002.
  • Askew HR. Treatment of behavior problems in dogs and cats; a guide for thesmall animal veterinarian. (2nd ed.) Oxford, Blackwell Publishing 2003.
  • Vilanova XM. Etología Clínica Veterinaria. Barcelona, Multimédica 2003.
  • Halsberghe C, Heath S, Iracka J, et al. A behavioural approach to canine obesity. Vet Focus – Special Edition Royal Canin 2008.
  • Yaguiyan-Colliard L, Diez M, German A, et al. Tackling obesity in cats. Vet Focus – Special Edition Royal Canin 2008.
  • Béata C, Bowen J, Fatjó J, et al. How to detect and manage anxiety in the cat. Vet Focus – Special Edition Royal Canin 2009.
  • Linder D, Mueller M. Pet obesity management: Beyond nutrition (2014). Veterinary Clinics of North America – Small Animal Practice.

References

  1. German AJ, Holden SL, Bissot T, et al. Dietary energy restriction and successful weight loss in obese client-owned dogs. J Vet Intern Med 2007;21:1174-1180.
Franco Favaro

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Franco Favaro, Center for Dog Behavioral Sciences (CSC), Legnaro, Italien Mehr lesen

Serena Adamelli

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