Beim Umgang mit einem Besitzer, der sein Tier falsch füttert (und insbesondere, wenn auch der Besitzer oder Familienmitglieder übergewichtig sind), ist eine wirksame Kommunikation ganz entscheidend, und zwar sowohl als Instrument für die Diagnose als auch für die Überzeugung des Besitzers von der Notwendigkeit entsprechender Behandlungsmaßnahmen. Der anamnestische Dialog sollte daher nach Möglichkeit nicht auf offenen Fragen basieren, wie zum Beispiel: „Wann und was füttern Sie Ihrem Hund?“, sondern eher auf zielorientierten Fragen mit zwei möglichen Antwortalternativen, um so das Problem einzugrenzen und die Verhaltensmuster des Besitzers zu erkennen, zum Beispiel: „Füttern Sie Ihren Hund zu festgelegten Zeiten?“ oder „Befindet sich immer Futter im Napf Ihres Hundes?“ oder „Frisst das Tier immer allein oder begleitend zu den Mahlzeiten der Familie?“. Mit Hilfe einer so konzipierten, zielgerichteten Kommunikation kann der Tierarzt dem Besitzer zu verstehen geben, dass es unterschiedliche Fütterungs-verhaltensmuster gibt, die zum Teil negativ zu bewerten sind. Ziel dieser Form der Kommunikation ist es, den Besitzer in die Lage zu versetzen, zu erkennen, wie er sich selbst gegenüber seinem Tier verhält. Auf diese Weise können Besitzer einsehen, dass sie selbst es sind, die ungünstige Umstände schaffen, welche das Problem auslösen und/oder die Lösung des Problems verhindern.
Wenn der Besitzer erste Antworten geliefert hat, ist es ratsam, sich mit Hilfe folgender Sätze ein genaueres Bild der Situation zu verschaffen: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass...?“ „Kann ich also bestätigen, dass Sie Ihr Tier … füttern?“ „Nachdem, was Sie mir berichten, scheint es so zu sein, dass…“ Diese Wiederholungen und Zusammenfassungen der vom Besitzer gelieferten Informationen haben einige entscheidende Vorteile. Unter anderem kann dadurch eine Art von Allianz mit dem Besitzer geschaffen werden, und der Besitzer wird gewissermaßen zum Mitinitiator bei der Analyse und beim Verständnis des Problems. Darüber hinaus erhält der Besitzer auf diese Weise die Möglichkeit, das Problem aus einem anderen Blickwinkel zu analysieren (über die zur Wahl gestellten Alternativen). Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Beziehung zwischen Tierarzt und Besitzer gefestigt wird, da die wiederholende Zusammenfassung sehr deutlich die Absicht und den Willen des Tierarztes kommuniziert, zu überprüfen, ob das Problem erkannt und verstanden wurde und dadurch auch den Wunsch des Tierarztes dokumentiert, die Situation von Tier und Besitzer voll und ganz zu verstehen. In anderen Worten: Diese Form der Kommunikation stärkt das Konzept der Professionalität und unterstützt die Wahrnehmung seitens des Besitzers, dass der Tierarzt ein „Freund“ ist, der sich seines Problems mit großem Interesse und Engagement annimmt.
Wenn ein Besitzer erkennt, dass sein übergewichtiges oder adipöses Tier ein ernsthaftes Problem hat, und den Tierarzt aus eigenem Antrieb um Hilfe bittet, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass die tierärztlichen Anweisungen in hohem Maße befolgt werden. Wenn ein Besitzer auf der anderen Seite nicht von selbst einsieht, dass sein Tier tatsächlich unter einer potenziell gefährlichen Erkrankung leidet, und erst durch den Tierarzt auf das herrschende Problem und die notwendige Behandlung hingewiesen wird, werden die tierärztlichen Anweisungen oft nicht freiwillig und nicht in ausreichendem Umfang eingehalten.
Strategische Sprache
In diesen Situationen kommt der Sprache eine große strategische Bedeutung zu, damit die diätetischen Anweisungen erfolgreich umgesetzt werden. Wie menschliches Verhalten im Allgemeinen, so wird auch das Management der Fütterung durch viele Faktoren, wie zum Beispiel die Motivation, den Willen, Ziele zu erreichen, den Versuch, ein Gefühl des Wohlbefindens zu erreichen, Prinzipien oder den Wunsch, Freude zu erfahren getriggert. Gesunder Menschenverstand, logische Argumentation und schlüssige Instruktionen eines Experten reichen nicht immer aus, um Verhaltensmuster eines Besitzers zu verändern. Oft müssen bei Menschen erst Gefühle, Emotionen und Empfindungen geweckt werden, um die für die Einleitung von Verhaltensänderungen erforderliche Motivation zu generieren. Manchmal müssen auch „unterbewusste“ Bedürfnisse getriggert werden, um Veränderungen zu fördern. Das Unterbewusstsein kann definiert werden als der Teil einer Person, der nicht rational und bewusst agiert, aber „Gefühle“ generiert, die oft unsere Handlungen leiten. So sagt man beispielsweise, wenn man mit einer bestimmten Situation konfrontiert wird: „Ich weiß nicht warum, aber ich hatte das Gefühl, so handeln zu müssen….,“ „Ich handelte instinktiv, aber es schien in dieser Situation das Beste zu sein…“. Auch bei Besitzern adipöser Tiere kann es erforderlich sein, diese unterbewussten Wahlmöglichkeiten zu erleichtern. So kann beispielsweise die Verwendung von Metaphern, Anekdoten und einer Empfindungen auslösenden Sprache ein wirksamer Weg sein, um diese Motivationen auszulösen und es dem Zuhörer auf diesem Weg ermöglichen, bestimmte Verhaltensmuster als entweder günstig oder ungünstig wahrzunehmen (siehe nachstehenden Kasten).
Soziale Regeln
Damit tierärztliche Anweisungen wirksam umgesetzt werden, muss zunächst der Besitzer von deren Richtigkeit und Wichtigkeit überzeugt werden. Der Tierarzt sollte in diesem Zusammenhang einige der wichtigsten sozialen Regeln kennen, die Menschen davon überzeugen können, etwas zu tun oder zu lassen. Richtig angewendet erleichtern diese Regeln dem Tierarzt, Besitzer davon zu überzeugen, dass verschiedene Maßnahmen eingeleitet werden müssen, um das Wohlbefinden des Tieres zu verbessern.
- Zuneigung. Menschen sagen in der Tat lieber „Ja!“ zu jemandem, den sie
gut kennen und schätzen. Eine bestimmte Person mögen wir aus
unterschiedlichen Gründen – z. B. wegen eines angenehmen äußeren
Erscheinungsbildes, gleicher Affinitäten (z. B., wie sie bestimmte Dinge
tun, wie sie sich kleiden), weil sie uns Komplimente machen oder weil
wir derselben sozialen Gruppe angehören (z. B. Sportverein oder
Gemeinde). Wichtig ist deshalb eine sorgfältige Beachtung des oben
beschriebenen „4 x 20- Phänomens“, um die Grundlage für eine positive
Beziehung zu schaffen. Dazu gehört unter anderem auch der Versuch, die
Interessen des Gegenübers herauszufinden und ihm, falls es die Situation
erfordert, diesbezüglich Komplimente zu machen.
- Gegenseitigkeit („Reziprozität“). Dieser Regel zufolge versucht eine Person im Sinne der Gegenseitigkeit, das „zurückzuzahlen“, was ihr eine andere Person hat zu Gute kommen lassen. Eine in diesem Zusammenhang oft eingesetzte Strategie besteht darin, jemandem einen Gefallen zu tun, oder etwas zu geben, selbst wenn er nicht darum gebeten hat, und damit gewissermaßen zu verlangen, dass später eine entsprechende Gegenleistung erbracht wird. Der Tierarzt könnte diese Regel beispielsweise anwenden, indem er dem Tier einen kleinen Gegenstand zum Spielen gibt, während er fordert, dass seine Anweisungen befolgt werden („Ich haben Ihnen dieses Spielzeug geschenkt, da es Ihr Tier dazu bringen wird, sich mehr zu bewegen). Auf diese Weise wird der Besitzer dazu gebracht, nach der Regel der Reziprozität zu handeln, und den Anweisungen des Tierarztes zu folgen.
- Konzessionen. Ein anderer Weg, einem Besitzer etwas anzubieten oder ihn
von etwas zu überzeugen, besteht darin, die Anforderungen zu erhöhen,
und dann einer Konzession zuzustimmen. So kann der Tierarzt
beispielsweise den Besitzer bitten, seinem übergewichtigen Tier
mindestens dreimal täglich je eine Stunde Bewegung zu verschaffen, und
dann schließlich im Laufe des Dialogs ganz im Sinne der Konzessionsregel
einer Eingewöhnungsphase zustimmen, in der das Tier vielleicht
lediglich zweimal täglich jeweils nur 45 Minuten bewegt werden muss.
- Soziale Bestätigung. Für die meisten Menschen ist wichtig, was andere
Menschen denken, sagen oder tun, wenn sie sich entscheiden müssen, was
sie selbst denken sollen oder wie sie sich selbst verhalten sollen. Mit
anderen Worten: Es ist schwierig, die „Macht der Anderen“ zu ignorieren.
Bei der Kommunikation mit einem Besitzer kann der Tierarzt
beispielsweise Sätze sagen wie: „Die Dinge, die ich Ihnen gerade
erläutert habe, sind wissenschaftlich erwiesen“ oder „ Besitzer, die
diese Maßnahme umsetzen, erzielen durchweg gute Erfolge“ (Abbildung 6).