Diätetische Fasern werden sowohl bei Hunden als auch bei Katzen zur Unterstützung der Adipositasbehandlung eingesetzt. Insbesondere langsam fermentierbare Fasern wie Cellulose und Erdnussschalen sind nachweislich ein wirksames Mittel für eine Erhöhung des Ingestavolumens im Gastrointestinaltrakt, ohne zusätzliche Kalorienzufuhr. In kommerziellen Tiernahrungen können diätetische Fasern von Vorteil sein, da sie wahrscheinlich zu einer geringeren diätetischen Energieaufnahme führen. Gemischte diätetische Fasern sollen darüber hinaus die Glucoseabsorption aus dem Magendarmtrakt mindern, eine Magendehnung induzieren (die den Cholecystokinin-Pathway der Sättigung stimuliert), die Magenentleerung verzögern und eine längere ileale Passagezeit fördern 6. In der Literatur sind entsprechende Wirkungen diätetischer Fasern auf die Nahrungsaufnahme bei Katzen bislang zwar noch nicht ausführlich beschrieben, spekuliert wird aber, dass mit Fasern angereicherte Nahrung eine übermäßige Nahrungsaufnahme reduzieren kann, und damit eine potenziell protektive Rolle gegen die Entstehung der felinen Adipositas spielt 7.
Durch Hunger motiviertes Bettelverhalten bei übergewichtigen Katzen beeinträchtigt oft die Besitzercompliance und kann dazu führen, dass die Ziele der Gewichtsreduktion bei zu Adipositas neigenden Tieren nicht erreicht werden. Der Zusatz von Fasern in kommerziellen Tiernahrungen soll eine verbesserte Sättigung induzieren und dieses unerwünschte Bettelverhalten somit reduzieren. Eine Studie zur Evaluierung von Strategien zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Katzen beobachtete reduzierte „Bettel-Scores“ (d. h. weniger Lautäußerungen und weniger anhängliches Verhalten) bei Fütterung einer Nahrung mit Fasern hoher Wasserbindungskapazität im Vergleich zu einer Nahrung, die überwiegend unlösliche Fasern enthält 8. Nicht nur die Fasermenge, sondern auch der Fasertyp kann also einen Einfluss auf die Sättigung haben.
Trotz der potenziellen therapeutischen Eigenschaften von Fasern bei Adipositas sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diätetische Fasern auch zu einer reduzierten Proteinverdaulichkeit führen können. Mit Fasern angereicherte Diätnahrungen zur Gewichtsreduktion müssen dies durch höhere diätetische Proteinkonzentrationen kompensieren. Wichtig ist darüber hinaus das Verhältnis zwischen langsam fermentierbaren und schnell fermentierbaren Fasern, denn die Forschung zeigt, dass ein Zusatz schnell fermentierbarer Fasern in sättigungsfördernden Konzentrationen gastrointestinale Nebenwirkungen wie Flatulenz und Diarrhoe auslösen kann 9. Trotz der eher spärlichen Informationen über die Wirkung diätetischer Fasern bei felinen Patienten und trotz der diesbezüglich zum Teil widersprüchlichen Ergebnisse bleibt insgesamt aber festzuhalten, dass ein Zusatz diätetischer Fasern in kommerzielle Diätnahrungen im Rahmen der Gewichtsreduktion bei Tieren mit Adipositasneigung hilfreich sein kann.
Diabetes mellitus
Ältere Berichte in der Literatur legen nahe, dass diätetische Fasern die glycämische Kontrolle bei Hunden und Katzen verbessern und die Behandlung des Diabetes mellitus unterstützen 10. Neuere Übersichtsarbeiten kommen jedoch zu dem Schluss, dass der Effekt diätetischer Fasern bei diabetischen Katzen unbekannt ist,und dass bei betroffenen Patienten möglicherweise eher kohlenhydrat- und faserarme Diätnahrungen angezeigt sind 11. Die Ergebnisse diätetischer Studien mit diabetischen Katzen sind aber schwierig zu interpretieren, da die verwendeten Diätnahrungen nicht nur unterschiedliche Fasergehalte aufweisen, sondern sich auch in ihren Protein-, Fett- und Kohlenhydratanteilen unterscheiden und meist aus unterschiedlichen Zutaten zusammengesetzt sind.In einer randomisierten, kontrollierten Crossover-Studie 12 wurden 16 diabetische Katzen entweder mit einer faserreichen Nahrung (12% Cellulose auf Basis der Trockenmasse) oder mit einer faserarmen Nahrung (Zusatz von Maisstärke) gefüttert. Bei den mit der faserreichen Diätnahrung gefütterten Katzen wurden niedrigere prä- und postprandiale Blutglucosespiegel gemessen. Die Insulindosen und die Konzentrationen des glycolysierten Hämoglobins zeigten jedoch keine signifikanten Unterschiede. Zudem konnte bei vier Katzen unter der faserreichen Diät keinerlei Verbesserung des Blutglucosespiegels festgestellt werden. Die Autoren schlussfolgerten, dass ihre Ergebnisse die Fütterung einer Diätnahrung mit Cellulosezusatz bei Katzen mit Diabetes mellitus stützen. Diese Daten decken sich mit den Ergebnissen einer unveröffentlichten Studie derselben Autoren, in der bei neun von 13 diabetischen Katzen eine Verbesserung der glycämischen Kontrolle mit Hilfe einer faserreichen Diät erreicht werden konnte. Zwischen den beiden in dieser Studie eingesetzten Nahrungen gab es neben dem Fasergehalt jedoch noch weitere Unterschiede, die das Ergebnis beeinflusst haben könnten. So hatte die faserarme Diätnahrung einen niedrigeren Protein- und einen höheren Kohlenhydratgehalt als die faserreiche Nahrung, und bei der faserreichen Nahrung war die Kalorienaufnahme insgesamt niedriger. Die vier Katzen in der zuvor genannten Studie, die auf die faserreiche Diät nicht angesprochen hatten, wiesen ein niedrigeres durchschnittliches Körpergewicht auf (4,7 kg gegenüber 5,5 kg), so dass ein Effekt des Körperfettanteils nicht ausgeschlossen werden kann 12.
Eine weitere randomisierte Studie 13 evaluierte zwei Feuchtnahrungen (Dosennahrung) bei Katzen mit Diabetes mellitus, die auch mit Insulin behandelt wurden. Es handelte sich zum einen um eine Diätnahrung mit moderatem Kohlenhydratgehalt (26%) und hohem Fasergehalt (11% Rohfaser) in der Trockenmasse, während die andere Nahrung einen niedrigen Kohlenhydratgehalt (15%) und einen niedrigen Fasergehalt (1% Rohfasern) aufwies. Die meisten, wenn auch nicht alle, untersuchten Katzen zeigten in beiden Diätgruppen eine Verbesserung der Blutzucker- und Fructosaminspiegel. Ab Woche 16 konnte das Insulin bei 68% der Katzen mit der kohlenhydrat- und faserarmen Nahrung abgesetzt werden und bei 41% der Katzen mit der Nahrung mit moderatem Kohlenhydratgehalt und hohem Faseranteil. Die Schlussfolgerung der Autoren lautet, dass Katzen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine gute Blutzuckerregulierung oder einen insulin-unabhängigen Status erreichen, wenn sie eine Diätnahrung mit niedrigem Kohlenhydratgehalt und niedrigem Faseranteil erhalten. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die beiden getesteten Nahrungen sich auch in ihren Zutaten (Maismehl in der Nahrung mit moderatem Kohlenhydrat- und hohem Fasergehalt vs. Sojamehl und Maisglutenmehl in der kohlenhydrat- und faserarmen Nahrung) und im Fettgehalt unterschieden (41% Fett in der Nahrung mit moderatem Kohlenhydrat- und hohem Fasergehalt vs. 51% Fett in der kohlenhydrat- und faserarmen Nahrung auf Basis der metabolisierbaren Energie). Es ist deshalb schwierig, zu entscheiden, ob für die Ergebnisse letztlich der Fasergehalt, der Kohlenhydratgehalt oder der Fettgehalt oder eine bestimmte Kombination von Inhaltsstoffen verantwortlich waren 13.
Aktuelle Richtlinien für Menschen mit Diabetes mellitus beinhalten unter anderem eine diätetische Therapie 14. Die Aufnahme diätetischer Fasern geht bei diabetischen Menschen zwar nachweislich mit einer niedrigeren Mortalität sämtlicher Ursachen einher, für eine verbesserte glycämische Kontrolle bei vermehrter Aufnahme von Fasern oder Vollkorngetreide gibt es aber nur wenige Evidenzen. Mehrere Studien zur Wirkung diätetischer Fasern bei Hunden mit Diabetes mellitus liefern unterschiedliche Ergebnisse, und letztlich verantwortlich für eine Verbesserung der glycämischen Kontrolle bei faserreichen Diätnahrungen könnte eine mit solchen Nahrungen verknüpfte Reduzierung der Kalorienaufnahme sein 11. Gegenwärtig gibt es also nur wenige Evidenzen, die für einen direkten Effekt diätetischer Fasern bei Katzen mit Diabetes mellitus sprechen. Strategien zur Gewichtsreduktion, die unter anderem auch Nahrungen mit einem hohen Anteil diätetischer Fasern beinhalten, können jedoch eine Rolle bei der Behandlung dieser Patienten spielen.
Diarrhoe
Zahlreiche Enteropathien führen bei Katzen potenziell zur Entstehung einer chronischen Diarrhoe, einer häufig auftretenden und oft sehr frustrierenden klinischen Symptomatik, die sehr oft Anlass für die Vorstellung betroffener Katzen beim Tierarzt ist. Diarrhoe äußert sich in vielen Fällen mit einer Erhöhung der Defäkationshäufigkeit, einer Zunahme des Kotvolumens und einem erhöhten fäkalen Feuchtigkeitsgehalt, nicht selten auch in Kombination mit Kotabsatz an ungeeigneten Stellen. Ätiologisch betrachtet, sind chronische Diarrhoen bei adulten Katzen am häufigsten entzündlicher Natur (Inflammatory Bowel Disease) oder diätetischen Ursprungs (Futtermittelallergie oder Futtermittelintoleranz). Seltener liegen Tumorerkrankungen zugrunde. Diätetische Maßnahmen können eine vorteilhafte Rolle bei der Behandlung einer Diarrhoe spielen und zu einer erfolgreichen Kontrolle ihres Auftretens und ihres Schweregrades beitragen. Physikalische Eigenschaften von Fasern können jedoch sowohl zu einer Beschleunigung als auch zu einer Verlangsamung der Darmpassage führen. So zeigen entsprechende Untersuchungen, dass Rübenschnitzel eine kurze Darmpassage-zeit bei Hunden fördern, während Cellulose die Darmpassagezeit verlängert 15. Deutlich weniger Informationen gibt es dagegen über den Einfluss von Fasern auf die Darmpassage bei Katzen. Die gesammelten Kenntnisse aus Untersuchungen an Menschen und Hunden sowie die umfassenden klinischen Erfahrungen praktischer Tierärzte legen jedoch nahe, dass diätetische Fasern bei der Spezies Katze dieselben Effekte haben dürften.
Lösliche Fasern absorbieren Wasser aus dem Gastrointestinaltrakt und bilden dabei ein visköses Gel, das die Menge des freien fäkalen Wassers reduzieren und auf diese Weise eine Normalisierung der Kotkonsistenz unterstützen kann. Zudem verlangsamt das visköse Gel die Darmpassage und kann sich bei der Behandlung von Patienten mit sekretorischer oder osmotischer Diarrhoe als hilfreich erweisen, da es unter anderem auch luminale Toxine absorbiert. Liegt einer Diarrhoe ursächlich eine erhöhte Motilität zugrunde, können unlösliche Fasern zudem eine Reduzierung bestimmter Formen myoelektrischer Aktivitäten im Dickdarm unterstützen 16.
Trotz des Fehlens entsprechender randomisierter, kontrollierter Studien befürworten einige Tierärzte eine Supplementierung der Nahrung mit diätetischen Fasern bei Hunden und Katzen mit IBD, wenn Diarrhoe Teil des klinischen Geschehens ist. Bei Verdacht auf eine Futtermittelüberempfindlichkeit als zugrunde liegende Ursache werden in der Regel Diätnahrungen mit neuen (zuvor noch nie gefütterten) oder hydrolysierten Proteinen empfohlen. Eine zusätzliche Fasersupplementierung dieser therapeutischen Diätnahrungen kann zu einer Verbesserung der intestinalen Motilität und des Wassergleichgewichts sowie zur Normalisierung der intestinalen Mikroflora beitragen 6. Flohsamenschalen und Weizenkleie werden in solchen Fällen mit Erfolg eingesetzt. In anderen Situationen sprechen IBD-Patienten dagegen am besten auf hochverdauliche, faserarme Diätnahrungen an. Bei einigen Patienten mit IBD kann eine Fasersupplementierung also durchaus auch kontraindiziert sein. Entscheidend für das klinische Outcome ist deshalb eine sorgfältige individuelle Beurteilung der spezifischen Situation eines jeden Patienten.
Obstipation
Die Prävalenz der Obstipation in der gesamten Katzenpopulation ist weitgehend unbekannt, den meisten praktischen Tierärzten werden aber immer wieder Katzen mit unterschiedlich hochgradigen Defäkationsschwierigkeiten vorgestellt (Abbildung 3). Häufige oder rezidivierende Obstipationen können letztlich zur Entwicklung einer Koprostase führen, die auf routinemäßige Behandlungsmaßnahmen in der Regel nicht mehr anspricht. Bei fortschreitender Obstipation/Koprostase können betroffene Katzen ein Megacolon entwickeln. Dabei handelt es sich um das (oft idiopathische) Endstadium, das durch eine Erweiterung des Dickdarms, einen Verlust der motorischen Funktion der glatten Muskulatur und die Unfähigkeit, Kot abzusetzen, charakterisiert ist. Die Behandlung eines Megacolons richtet sich nach der im Einzelfall zugrunde liegenden Ursache, dem Grad der Erkrankung und ihrer Chronizität. In den frühen Stadien oder bei geringgradig ausgeprägter Obstipation sprechen Patienten oft auf eine mechanische Entfernung impaktierter Fäzes und eine Behandlung mit Laxanzien an. Mittelgradig betroffene Katzen benötigen unter Umständen eine Therapie mit dickdarmwirksamen prokinetischen Arzneimitteln, und in hochgradigen Fällen ist ein chirurgischer Eingriff in Form einer subtotalen Colektomie möglicherweise die einzige Option.