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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 25.1 Sonstiges Wissenschaft

Persönliche empfehlungen… Der Hund mit nachlassendem Sehvermögen

veröffentlicht 09/08/2023

Geschrieben von Gareth Jones

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Wenn ein Hund mit nachlassendem Sehvermögen vorgestellt wird, muss die Konsultation wie in so vielen anderen Situationen in der Tiermedizin, mit der Erhebung eines guten Vorberichtes beginnen.

Hindernisbahn im Wartezimmer

Kernaussagen

Der Vorbericht ist von zentraler Bedeutung, wenn ein Hund mit nachlassendem Sehvermögen vorgestellt wird. Besonders wichtig sind das Signalement und der Zeitpunkt, an dem der Besitzer bei seinem Hund erstmals ein verschlechtertes Sehvermögen festgestellt hat.


Der Patient sollte nicht so schnell wie möglich in den Untersuchungsraum geleitet und auf den Tisch gehoben werden. Vielmehr sollte sich der Tierarzt Zeit nehmen, den Hund beim Gehen zu beobachten, um zu beurteilen, wie gut oder wie schlecht sein Sehvermögen ist.


Visuelles Tracking mit Hilfe eines Wattebausches ist ein sehr hilfreiches diagnostisches Verfahren für die Beurteilung des Sehvermögens eines Hundes. Aber auch andere Untersuchungen wie der Test des Pupillenlichtreflexes sollten durchgeführt werden.


Nicht selten werden Tiere mit nachlassendem Sehvermögen und physiologischen, altersbedingten Augenveränderungen vorgestellt, die von erworbenen pathologischen Veränderungen unterschieden werden müssen.


Einleitung

Die folgenden Punkte sind besonders wichtig, wenn ein Hund mit nachlassendem Sehvermögen vorgestellt wird.

Signalement

Es ist allgemein anerkannt, dass viele Augenerkrankungen bei Hunden in bestimmten Altersklassen und bei bestimmten Rassen gehäuft vorkommen. Um ein Grundverständnis für veterinärmedizinische Ophthalmologie zu entwickeln, sollte der Einsteiger also wissen, welche Hunderassen besonders zu bestimmten Augenerkrankungen neigen. Wird zum Beispiel ein acht Jahre alter Labrador mit einem Vorbericht über Nachtblindheit vorgestellt, und die Augenuntersuchung bestätigt eine beidseitige Netzhautdegeneration, so weist dies sehr stark auf eine generalisierte progressive Retinaatrophie hin (gPRA). Bei einem Hund, der mit einem schmerzhaften, trüben, blinden Auge vorgestellt wird, spricht vieles für ein Glaukom, handelt es sich dabei aber um einen Jack Russell Terrier, so hat man es sehr wahrscheinlich mit einem sekundären Glaukom infolge einer primären Linsenluxation zu tun. Eine umfassende Augenuntersuchung einschließlich Augeninnendruckmessung (Tonometrie) würde die Diagnose bei einem solchen Patienten bestätigen und eine sofortige gezielte Behandlung ermöglichen. Eine Fehldiagnose müsste man in diesem Fall sogar als fahrlässig bezeichnen. Ist der ambitionierte Ophthalmologe aber bereit, zu lernen, welche Erkrankungen bei welchen Rassen auftreten können, hat er bereits den halben Weg zu einem umfassenden Verständnis der tierärztlichen Augenheilkunde zurückgelegt.

Ist das nachlassende Sehvermögen akut oder chronisch?  

Leider sind einige Besitzer nicht besonders aufmerksam, wenn es um die Feststellung geht, dass etwas nicht stimmt mit den Augen ihres Tieres. Und wenn sie dann tatsächlich ein Problem feststellen, kann erst einige Zeit verstreichen, bis sie sich entschließen, tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dies ist aber zum Glück nicht immer der Fall, und es gibt viele Besitzer, die sich unmittelbar an ihren Tierarzt wenden. Geht das Problem mit Augenschmerzen einher, erkennbar an Tränenfluss und Blepharospasmus, veranlasst dies Besitzer oft dazu, ihr Tier bereits in einem frühen Stadium der Erkrankung vorzustellen. Ohne offensichtliche Schmerzen werden die ersten Symptome jedoch nicht selten übersehen. Die Persönlichkeit und die Bereitschaft des Besitzers, tierärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, haben einen starken Einfluss darauf, ob ein Tier bereits in den frühen Stadien eines Sehkraftverlusts vorgestellt wird. Ein wichtiger Aspekt der Anamnese ist deshalb der Versuch einer Klärung der Frage, seit wann das Augenproblem bestehen könnte. Hierzu sollte der Tierarzt nach Möglichkeit offene Fragen stellen, um dem Besitzer die Möglichkeit zu geben, mit eigenen Worten zu antworten.

Welches ist das Hauptanliegen des Besitzers, und welche anderen Augensymptome könnten vorhanden sein?

Finden Sie heraus, ob das Auge schmerzhaft ist, fragen Sie den Besitzer, ob vermehrte Augenrötungen oder Augenausfluss aufgefallen sind, und ob das Auge „abnorm“ aussieht (z. B. getrübt). Ermitteln Sie aus dem Vorbericht und mit Hilfe der klinischen Untersuchung, ob das Problem ein oder beide Augen betrifft. Ist eine Erblindung der Hauptgrund für die Vorstellung des Patienten, würde man erwarten, dass beide Augen mit einem gewissen Grad an Symmetrie der offensichtlichen Läsionen betroffen sind. Möglich ist aber auch, dass ein Hund aufgrund einer bestimmten Erkrankung zunächst das Sehvermögen auf einer Seite verliert, und am anderen Auge dann zu einem späteren Zeitpunkt entweder dieselbe Erkrankung oder eine andere pathologische Veränderung entwickelt.

Klinische Untersuchung

Viele systemische Erkrankungen können zusätzlich ophthalmologische Befunde haben. Der aufmerksame Untersucher sollte deshalb bei jeder allgemeinen klinischen Untersuchung immer auch die Augen mit einbeziehen. Ebenso sollte aber der Ophthalmologe auch sämtliche die „Augen unterstützenden Strukturen“ (also gewissermaßen den Rest des Tieres!) berücksichtigen und stets das gesamte Tier sorgfältig untersuchen. Dies gilt insbesondere, wenn eine beidseitige Augenerkrankung vorliegt. Wenn ausreichend Zeit zur Verfügung steht, sollte nach Möglichkeit also eine vollständige klinische Untersuchung durchgeführt werden. So entwickeln beispielsweise diabetische Hunde nicht selten sekundäre Katarakte und sollten deshalb stets umfassend untersucht werden, obwohl diese Patienten zum Zeitpunkt der Entwicklung einer Katarakt in aller Regel bereits mit anderen Symptomen, wie zum Beispiel einer Polydipsie, vorgestellt worden waren und möglicherweise bereits mit Insulin behandelt werden.

Augenuntersuchung

Die ophthalmologische Untersuchung ist der Schlüssel für eine spezifische Diagnose. Das zentrale Anliegen einer Augenuntersuchung ist die Lokalisierung und Identifizierung einer Läsion im Auge. Bereits bei augengesunden Tieren ist das Erscheinungsbild der Augen durch eine große Vielfalt gekennzeichnet, und ein ganz wesentlicher Aspekt der tierärztlichen Augenheilkunde ist die Kunst der Unterscheidung zwischen dem, was normal ist, und einer erworbenen oder angeborenen pathologischen Veränderung. Eine ausführliche Beschreibung der praktischen Durchführung einer Augenuntersuchung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, und der an weiteren Details interessierte Leser sei auf die einschlägige Literatur verwiesen 1. Für sachdienlich halten wir an dieser Stelle jedoch eine Diskussion über verschiedene Tests zur Ermittlung des Sehvermögens. Auch ein Grundwissen über die Tonometrie (Messung des Augeninnendrucks) muss als wesentlich gelten, da für Verluste der Sehkraft nicht selten Glaukome verantwortlich sind und die Anwendung eines Tonometers in diesen Fällen sehr hilfreich ist.

Die Augenuntersuchung beginnt zunächst mit der Beobachtung des Hundes aus gewisser Distanz. Oft streben Tierärzte danach, ihre Patienten so schnell wie möglich in den Untersuchungsraum zu komplementieren, und setzen sie gewöhnlich unmittelbar nach Betreten des Raumes auf den Untersuchungstisch. Verbauen Sie sich durch ein solches überschnelles Vorgehen aber nicht potenziell wichtige Erkenntnisse, sondern beobachten Sie Ihren Patienten nach Möglichkeit zunächst aus einiger Distanz. Ich betrachte mir den Patienten bereits bei der Begrüßung des Besitzers aus der Entfernung. Beobachten Sie die Bewegungen des Tieres am Boden, wenn es den Untersuchungsraum betritt, nach Möglichkeit ungestört vom Besitzer. Akut erblindete Tiere, insbesondere diejenigen mit nervösem Temperament, zeigen in ihrem Gesichtsausdruck oft Anzeichen von Angst. Dagegen können sich langsam und schrittweise erblindende Hunde oft sehr gut anpassen und entwickeln ein räumliches Bewusstsein und eine Orientierungsfähigkeit. Diese Hunde sind oft in der Lage, sich sogar im unbekannten Umfeld eines Untersuchungsraumes so sicher zu bewegen, als sei ihre Sehkraft erhalten. Als Ophthalmologe müssen Sie ein Gefühl dafür entwickeln, ob ein Hund tatsächlich sehen kann oder nicht, denn vorgefasste Vorstellungen können Ihre Herangehensweise an einen Fall erheblich beeinflussen.

Das Testen des Sehvermögens eines Hundes ist im Allgemeinen der erste Schritt meiner Augenuntersuchung. Es ist eine Binsenweisheit in der praktischen Veterinärmedizin, dass ein Test des Sehvermögens eines Patienten stets eine subjektive Angelegenheit ist. Wenn unsere Patienten sprechen und uns berichten könnten, was sie sehen, und was nicht, wäre die Ophthalmologie eine völlig andere Disziplin. Mein Lieblingstest ist das visuelle Tracking mit Hilfe eines Wattebausches. Dieser wird innerhalb der Augenlinie des Hundes von oben herabfallen gelassen, und der Untersucher beurteilt die Reflexbewegungen des Augapfels oder des Kopfes, während der Hund das sich nach unten bewegende Objekt beobachtet. Ein Wattebausch ist für diesen Test am besten geeignet, weil er die optimale Fallgeschwindigkeit hat und aufgrund seiner weißen Farbe gut sichtbar ist. Beide Augen werden nacheinander getestet, wobei sich die Sehfelder überlappen dürfen. Ich bitte den Besitzer, ein Auge des Hundes sanft mit der flachen Hand abzudecken, während ich das andere Auge teste. Wichtig ist, dass dabei nicht zu viel Zwang ausgeübt wird, um die Diagnose störenden Abwehrbewegungen des Kopfes zu verhindern.

Bei größeren Hunden kann der Test an dem auf dem Boden stehenden Patienten durchgeführt werden, während mittelgroße Hunde auf dem Untersuchungstisch stehend vom Besitzer sanft fixiert und gesichert werden. Kleine Hunde kann der Besitzer auf dem Arm halten. Insbesondere bei einem nervösen oder erregten Hund muss sichergestellt werden, dass das Gesicht des Hundes ohne Zwang in Richtung Untersucher deutet und nicht etwa unter dem Arm des Besitzers festgeklemmt oder gegen seine Brust gedrückt wird. Einige Hunde kooperieren jedoch gar nicht, und die Widersetzlichkeit von Katzen bei solchen Tests ist hinreichend bekannt.

Andere Formen visueller Tests:

1. Hinderniskurs. Wenn das Wartezimmer leer ist, und ich unsicher bin über das tatsächlich vorhandene Sehvermögen eines Hundes, baue ich einen Hinderniskurs auf. Im Rahmen einer Erstuntersuchung ist ein solcher Test unter Umständen jedoch nicht geeignet, da er viel Zeit und Raum beansprucht. Es empfiehlt sich daher, für solche Untersuchungen gegebenenfalls Termine außerhalb der üblichen Sprechzeiten zu vereinbaren. Es muss ein ausreichend großer, sicherer Raum ohne störende Anwesenheit anderer Tiere oder Besitzer verfügbar sein. Sämtliche Türen müssen geschlossen sein, damit der Hund nicht flüchten kann. Gegenstände verschiedener Größen und Formen werden auf dem Boden verteilt, so dass eine Art von Labyrinth entsteht, das der Patient bewältigen muss. Ich verwende leicht verfügbare Gegenstände, wie zum Beispiel auf die Seite gelegte Stühle, Ständer für Broschüren und Papierkörbe (Abbildung 1). Der Besitzer stellt sich nun am fernen Ende des Hinderniskurses auf, während ich den Patienten am Startpunkt des Labyrinthes festhalte. Dann wird der Besitzer gebeten, seinen Hund ruhig herbeizurufen, damit ich das Sehvermögen des Hundes beurteilen kann, während er sich durch den Hinderniskurs in Richtung seines Besitzers bewegt. Allzu enthusiastisches Rufen ist zu vermeiden, da die Gefahr besteht, dass der Hund über den Hinderniskurs stürmt und sich dabei verletzt.

Wenn möglich, sollte das Sehvermögen des Hundes sowohl im Hellen (photoptisches Sehen, Tagsehen) als auch im Dunkeln (skotopisches Sehen, Nachtsehen) überprüft werden, da einige Erkrankungen, wie zum Beispiel erbliche Retinopathien (insbesondere gPRA) aufgrund bestimmter Effekte auf die Stäbchenfunktion anfangs zunächst das Nachtsehen beeinträchtigen. Da bereits der Vorbericht erste Hinweise in diese Richtung liefern kann, ist es wichtig, Besitzer betroffener Patienten zu fragen, welchen Eindruck sie vom Sehvermögen ihres Hundes bei nächtlichen Spaziergängen haben. Ergänzend zu solchen anamnestischen Informationen sollte aber nach Möglichkeit auch im Rahmen der tierärztlichen Untersuchung beurteilt werden, ob die Ergebnisse entsprechender Sehtests in dämmrigem Licht schlechter werden, wobei natürlich auch dies wiederum eine sehr subjektive Beurteilung ist.

Hindernisbahn im Wartezimmer, um herauszufinden, wie gut ein Hund sehen kann

Abbildung 1. Hindernisbahn im Wartezimmer, um herauszufinden, wie gut ein Hund sehen kann. 
© Dr. Gareth Jones

2. Pupillenlichtreflex (PLR). Eine helle Lichtquelle wird auf das Auge gerichtet, um die Verengung der Pupille zu beurteilen. Aber Achtung: Hierbei handelt es sich nicht um einen Test des Sehvermögens. Der PLR ist ein subkortikaler Reflex, mit dessen Test man die Funktion der afferenten und efferenten Bahnen des autonomen Nervensystems überprüft, also die Neuroretina, den Sehnerven und des N. oculomotorius. Ich halte diesen Test für sehr hilfreich, da er dem Tierarzt wichtige Hinweise auf den Gesundheitszustand der Netzhaut, des Sehnerven, der Chiasma opticum und des N. oculomotorius liefert. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen jedoch folgende Punkte berücksichtigt werden:

  • Selbst im Falle einer vollständigen Netzhautablösung oder einer fortgeschrittenen Netzhautdegeneration ist es möglich, einen guten, schnellen PLR festzustellen. Bis vor kurzem war der Grund hierfür unbekannt. Vermutet wurde, dass die trotz entsprechender Netzhautveränderungen zu beobachtende Reaktion möglicherweise nur auf eine sehr geringe Anzahl erhaltener funktioneller Photorezeptoren zurückzuführen ist. Jüngst konnte jedoch gezeigt werden, dass der PLR durch verschiedene Lichtfarben (d. h. Wellenlängen) ausgelöst wird, so dass die verwendete Lichtquelle möglicherweise einer sehr viel größeren Einfluss auf diesen Test hat, als die meisten Tierärzte vermuten 2.
  • Der PLR-Test ist nicht aussagekräftig, wenn keine ausreichend starke Lichtquelle verwendet wird. Ist das Licht zu schwach, wird sich der Irismuskel nicht ausreichend schnell kontrahieren. Dieses Phänomen ist auch dann zu beobachten, wenn eine altersbedingte Irisatrophie vorliegt (siehe unten) oder wenn der untersuchte Hund besonders ängstlich bzw. aggressiv ist. Ein negativer PLR-Test bedeutet also nicht zwangsläufig, dass tatsächlich eine entsprechende Läsion zugrunde liegt. Erforderlichenfalls müssen eine bessere Lichtquelle verwendet oder die Batterien der Taschenlampe gewechselt werden!
  • Der PLR wird fehlen und/oder die Pupille wird bereits a priori erweitert sein, wenn der Patient zuvor ein Arzneimittel mit mydriatischer Wirkung erhalten hat. Klären Sie diesen Punkt unbedingt im Rahmen der Anamnese mit Hilfe offener Fragen an den Besitzer. Insbesondere wenn der Patient zuvor bereits in einer anderen Praxis untersucht und behandelt worden war, muss geklärt werden, welche topischen Arzneimittel in der jüngeren Vergangenheit verabreicht wurden. So kann zum Beispiel die Wirkung von topisch verabreichtem Atropin mehrere Tage anhalten, und zwar insbesondere in einem gesunden Auge ohne Uveitis (oder wenn eine akute Uveitis zunächst vorhanden war, aber schnell unter Kontrolle gebracht werden konnte).
  • Besonders hilfreich ist der PLR-Test bei Patienten mit einseitiger Augentrübung. Ein konsensueller Pupillenreflex (d.h., die Pupille im kontralateralen Auge verengt sich) weist uns darauf hin, dass die Netzhaut des betroffenen Auges funktionell ist (Abbildung 2). Weitere Tests, wie zum Beispiel der „Swinging-Flashlight-Test“ (Pupillenvergleichstest oder Pupille-Wechselbelichtungstest) werden für Tierärzte mit weitergehendem ophthalmologischem Interesse empfohlen 3.
Positiver indirekter (konsensueller) PLR bei einem Patienten mit Hornhauttrübung

Abbildung 2. Positiver indirekter (konsensueller) PLR bei einem Patienten mit Hornhauttrübung. Bei der Untersuchung eines Auges mit trüber Hornhaut oder wenn die Pupille im betroffenen Auge aufgrund einer Trübung der vorderen Augenkammer nicht klar beurteilt werden kann (a), gibt ein konsensueller PLR ( d. h., die Pupille des kontralateralen Auges verengt sich) einen Hinweis darauf, dass die Netzhaut des betroffenen Auges funktionell ist (b). 
© Jane Yeates

3. Dazzle test (Blendtest). Ein helles Licht wird plötzlich auf das Auge gerichtet, um zu überprüfen, ob ein Blinzelreflex vorhanden ist. Zugrunde liegt hier ebenfalls ein subcorticaler Reflex, der Auskunft über die Netzhautfunktion gibt. In einigen Fällen liefert der Blendtest sehr wertvolle Hinweise, zum Beispiel bei der Untersuchung reifer Katarakte. So kann ein schlechter PLR bei einem älteren Tier mit Katarakt auf eine Irisatrophie zurückzuführen sein, und ein positiver Blendtest kann in diesen Fällen anzeigen, dass die Netzhaut ausreichend gesund ist, um eine Kataraktextraktion zu rechtfertigen.

4. Drohreflextest. Die Hand des Untersuchers wird plötzlich in das Sehfeld des Patienten bewegt, um herauszufinden, ob das Tier sehen kann. Streng genommen sollte dies als Drohreaktion bezeichnet werden, da es sich um ein erlerntes Verhalten handelt. Der vollständige Pathway unterscheidet sich von dem des PLR, da er eine das Kleinhirn mit einbeziehende Komponente aufweist. Es gibt gute und schlechte Techniken für die Durchführung des Drohreflextests, und zu einem guten Test gehört zweifellos etwas mehr, als nur mit der Hand nahe vor dem Gesicht des Patienten zu winken. Testen Sie beide Augen nacheinander und berücksichtigen Sie, dass es aufgrund der Kreuzung der zentralen Sehbahnen bei jedem Auge ein nasales und ein temporales Gesichtsfeld gibt. Achten Sie darauf, dass Sie keinen Luftzug mit Ihrer Hand verursachen. Einige Autoren empfehlen die Verwendung einer Plexiglasscheibe zur Abschirmung eines möglichen Luftzuges, nach meiner Meinung verkompliziert dies die Durchführung dieses an sich sehr einfachen Tests nur unnötig!!

Das Ziel der Augenuntersuchung ist die anatomische Lokalisierung jeglicher Anomalien im Auge und daraus ableitend bereits eine erste Orientierung in Richtung der möglichen Ätiologie. Der Rest der Untersuchung umfasst eine detaillierte Beurteilung von Adnexen (Augenlider), Bindehaut, Hornhaut, vorderer Augenkammer, Iris, Linse, Glaskörper und Netzhaut.

Physiologische altersbedingte Veränderungen

Nicht selten wird ein Tier mit nachlassendem Sehvermögen vorgestellt, das gleichzeitig auch physiologische, altersbedingte Augenveränderungen aufweist. Der Tierarzt muss in der Lage sein, diese altersbedingten Veränderungen von erworbenen pathologischen Veränderungen zu differenzieren. Eine physiologische altersbedingte Veränderung hat keine Auswirkungen auf das Sehvermögen, und möglicherweise parallel vorliegende pathologische Veränderungen müssen differenzialdiagnostisch abgegrenzt und endgültig definiert werden.

Physiologische altersbedingte Veränderungen sind:

1. Irisatrophie. Es handelt sich um eine altersbedingte Atrophie der Irismuskulatur, insbesondere des M. sphincter pupillae, der zentraler liegt als der M. dilatator pupillae. Die Pupille entwickelt einen „zerfetzten” Rand, und das Irisgewebe wird dünner. Eine Durchleuchtung mit einer hellen Lichtquelle unterstreicht diesen Befund. Eine Irisatrophie kann grundsätzlich bei jedem Tier als ein Anzeichen der Alterung auftreten, häufig betroffen sind jedoch insbesondere Tiere im Alter von über zehn Jahren und Hunde kleiner Rassen (z. B. Toy-Pudel). Eine Irisatrophie hat keinen bekannten Effekt auf das Sehvermögen, ist aber vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie zu negativen oder schlechten PLR-Testresultaten führen kann. 

2. Linsensklerosierung. Die Linse besitzt eine Struktur, deren Aufbau mit der Schichtung einer Zwiebel vergleichbar ist, und wächst lebenslang. Mit dem Alter wird der Nukleus zunehmend komprimiert und kann bei Betrachtung bei normaler Beleuchtung den Eindruck eines trüben Zentrums der Linse vermitteln (Abbildung 3). Nicht selten stellen Besitzer ihre Hunde mit getrübt erscheinenden Augen vor und nehmen an, es könne sich um eine Katarakt handeln. Mit Hilfe der direkten Ophthalmoskopie aus der Distanz (Abbildung 4) kann eine Linsensklerosierung mittels Retroillumination leicht von einer echten Katarakt unterschieden werden.

Senile Linsensklerosierung und Irisatrophie

Abbildung 3. Senile Linsensklerosierung und Irisatrophie. Das Zentrum der Linse erscheint als klar abgrenzbare kreisförmige Struktur. 
© Dr. Gareth Jones

Direkte Ophthalmoskopie aus der Distanz zur Diagnose einer Linsensklerosierung

Abbildung 4. Direkte Ophthalmoskopie aus der Distanz zur Diagnose einer Linsensklerosierung. 
© Dr. Gareth Jones

Diagnose

Es gibt zahlreiche Erkrankungen des Auges mit potenziell schädlichen Auswirkungen auf das Sehvermögen, und eine ausführliche Besprechung würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Ein Verlust des Sehvermögens entsteht entweder durch Erkrankungen, die eine Trübung des Augenmediums hervorrufen, oder infolge von Erkrankungen, die spezifische Strukturen des Auges schädigen, wie zum Beispiel die Netzhaut oder den Sehnerven. Die Ursachen sind entweder kongenitalen Ursprungs (Tabelle 1) oder erworbenen (Tabelle 2). Zwei Fallberichte liefern gute Beispiele für Erkrankungen, die zu einem nachlassenden Sehvermögen bei Hunden führen können.

Tabelle 1. kongenitale und juvenile Augenerkrankungen, die zu nachlassendem Sehvermögen führen.

  • Mikrophthalmus/Anophthalmus
  • Kongenitale Katarakt +/- Multiokuläre Anomalie
  • Mesodermale Dysgenese
  • Persistierender hyperplastischer primärer Glaskörper (Persistent hyperplastic primary vitreous; PHPV)
  • Netzhautdysplasie
  • Kongenitale Katarakt/Juvenile Katarakt
  • Collie Eye Anomaly (CEA)
  • Kolobom des N. opticus
  • Hypoplasie des N. opticus
  • ZNS-Missbildungen (z. B. Hydrocephalus)

 

Tabelle 2. häufige erworbene Augenerkrankungen, die zu nachlassendem Sehvermögen führen*.

Akute Sehprobleme
  • Akutes Engwinkelglaukom
  • Primäre Linsenluxation
  • Akute hochgradige Uveitis
  • Intraokuläre Blutung
  • Bestimmte Kataraktformen (z. B. diabetisch)
  • Plötzliche Netzhautdegeneration (Sudden Acquired Retinal Degeneration, SARD)
  • Netzhautablösung
  • Bestimmte Formen zentraler Erblindung (z. B. Meningiom des N. opticus/granulomatöse Meningoencephalitis)
  • Opticusneuritis
  • Vergiftung
  • Hochgradiges Trauma
Chronische Sehprobleme
  • Chronisches Offenwinkelglaukom
  • Pigmentglaukom
  • Sekundäres Glaukom (z. B. Chronische Uveitis/Neoplasie)
  • Chronische hochgradige Hornhauterkrankung (z. B. dichte Keratitis pigmentosa)
  • Chronische Uveitis
  • Katarakt (reif)
  • Chorioretinitis (hochgradig)
  • Generalisierte PRA oder andere erbliche Retinopathien
  • Nährstoffmangel (z. B. Vitamin E)
  • Neurologische Erkrankung (z. B. hepatische Encephalopathie)

* Bitte beachten, dass es sich hierbei nicht um eine erschöpfende Liste handelt und es zwischen akuten und chronischen Erkrankungen gewisse Überschneidungen gibt 4.

 

Fallbericht 1

Ein 8 Jahre alter Springer Spaniel wird wegen Erblindung zur Untersuchung vorgestellt. Weitere offensichtliche Symptome sind nicht vorhanden, und keines der Augen ist schmerzhaft oder getrübt. Der Patient ist einer von acht in einer kleinen Gruppe im Freien gehaltenen Hunde. Der Besitzer hat in den letzten Tagen ein verschlechtertes Sehvermögen festgestellt und ist unsicher, ob der Hund sehen kann oder nicht. Systemisch erscheint der Hund gesund, seine Nahrungs- und Trinkwasseraufnahme ist den Angaben des Besitzers zufolge normal.

Sehtests liefern zwar unschlüssige Ergebnisse, legen jedoch den Verdacht eines beeinträchtigten Sehvermögens nahe. Der Hund ist in der Lage, sich in einem Raum zu bewegen, ohne mit stationären Objekten zu kollidieren, kann aber Wattebäuschen nicht problemlos folgen. Beide Pupillen sind erweitert und reagieren nur schwach auf Licht. Hinweise auf weitere Hirnnervenschäden oder neurologische Defizite werden nicht gefunden.

Die Augenuntersuchung ergibt keine Hinweise auf Augenläsionen außer dem fehlenden PLR, und bei der Untersuchung des Augenhintergrundes erscheint die Netzhaut beider Seiten normal. Der überweisende Tierarzt hatte den Verdacht einer Netzhautblutung geäußert, der jedoch nicht bestätigt werden kann.

Festgestellt wird eine physiologische Farbvariation (orange-braune Farbe) des Tapetum nigrum, die vom überweisenden Tierarzt möglicherweise irrtümlich für eine Netzhautblutung gehalten wurde.

Die Liste der Differenzialdiagnosen umfasst eine plötzliche erworbene Netzhautdegeneration (SARD), eine Opticusneuritis oder eine ZNS-Läsion im Bereich zentraler Bahnen.

Die Elektroretinographie (Abbildung 5) zeigt eine fehlende elektrische Aktivität und stützt damit die Verdachtsdiagnose SARD (Abbildung 6). Auf eine weiterführende Diagnostik, einschließlich MRT zur Abklärung zentraler Läsionen, wird aufgrund dieses Befundes verzichtet.

Eine Behandlung für SARD gibt es nicht, Besitzer betroffener Hunde sollten jedoch beraten werden, wie sie ihren Hund bei der Gewöhnung an den Verlust des Sehvermögens unterstützen können.

Elektroretinographie zur Beurteilung der Netzhautfunktion

Abbildung 5. Elektroretinographie zur Beurteilung der Netzhautfunktion. 
© Dr. Gareth Jones

Offenbar physiologisches Erscheinungsbild der Netzhaut eines Hundes mit SARD

Abbildung 6. Offenbar physiologisches Erscheinungsbild der Netzhaut eines Hundes mit SARD. 
© Dr. Gareth Jones

Fallbericht 2

Ein 10 Jahre alter Cairn Terrier wird aufgrund des Verdachts eines nachlassenden Sehvermögens zur Untersuchung vorgestellt. Der Hund wirkt in letzter Zeit zunehmend orientierungslos bei Spaziergängen und kollidiert mit bestimmten Gegenständen im Umfeld des Hauses. Der Besitzer hat auf Nachfragen nicht den Eindruck, dass sein Hund unter Augenschmerzen leidet, berichtet aber, dass sich die Augen einige Monate zuvor getrübt hatten und jetzt noch „seltsamer“ aussehen, da sie sich nun vorwölben und gerötet sind.

Auf Sehtests reagiert der Hund überhaupt nicht, beide Pupillen sind erweitert und reaktionslos. 

Die Augenuntersuchung ergibt eine ganze Reihe von Augenveränderungen. Neben einem beidseitigen Hydrophthalmus (Buphthalmus) werden beidseitig episklerale Stauungen und eine dunkelbraune Pigmentierung von Sklera und peripherer Cornea festgestellt (Abbildung 7).

Darüber hinaus liegt ein diffuses Hornhautödem vor, das die intraokuläre Untersuchung erschwert. Bei der indirekten Ophthalmoskopie wird eine beidseitige Netzhautdegeneration mit Papillenexkavation sichtbar. Bei der Tonometrie wird beidseitig ein hoher Augeninnendruck (45 mmHg) festgestellt.

Die Diagnose lautet Pigmentglaukom, eine Erkrankung, die beim Cairn Terrier beschrieben wird. Die Erkrankung verläuft chronisch und im Verborgenen, eine medikamentöse antiglaukomatöse Therapie kann jedoch die unvermeidlich fortschreitende Zerstörung verlangsamen und Hund und Besitzer Zeit verschaffen, sich an die zunehmende Erblindung des Hundes anzupassen.

Cairn Terrier mit Pigmentglaukom rechts

Abbildung 7. Cairn Terrier mit Pigmentglaukom rechts. 
© Dr. Gareth Jones

Schlussfolgerungen

Nachdem ich nun in den vergangenen 25 Jahren tausende von Patienten mit Augenproblemen untersucht habe, verfolge ich bezüglich der Diagnose eine relativ simple Strategie: Sieht das klinische Bild genauso aus wie das klinische Bild des letzten von mir untersuchten Falles mit einer bestimmten Diagnose, dann ist es wahrscheinlich auch die gleiche Diagnose. Man bezeichnet diese diagnostische Methode als „Mustererkennung“, und für einen Tierarzt mit sehr großer Fallerfahrung kann diese Strategie gut funktionieren. Für den Einsteiger auf dem Gebiet der Ophthalmologie empfiehlt sich jedoch eher eine „problemorientierte“ Vorgehensweise, die bei seltenen oder ungewöhnlichen Fällen aber auch von erfahrenen Tierärzten eingesetzt werden sollte. Die Mindestanforderung an die Diagnostik ist die Bestimmung des betroffenen Abschnitts des Auges, die Auflistung auffälliger Befunde, die Erstellung einer Liste möglicher Differenzialdiagnosen, das Formulieren einer Verdachtsdiagnose und schließlich deren Bestätigung mit Hilfe geeigneter ergänzender Untersuchungen und spezifischer Tests. Niemals vergessen sollte der Untersucher aber, dass Vorbericht, Signalement und eine vollständige klinische Untersuchung des Patienten ebenfalls ganz entscheidende Säulen einer erfolgreichen Diagnose sind!!

Schließlich muss betont werden, dass in einigen Fällen eine schnelle, unmittelbare Diagnose von entscheidender Bedeutung ist. So kann es sich zum Beispiel bei einem trüben, schmerzhaften Auge mit episkleraler Stauung, eingeschränktem Sehvermögen und erweiterter, starrer Pupille um die Kardinalsymptome eines Glaukoms handeln. Mit Hilfe der Tonometrie lässt sich diese Diagnose in der Regel sehr schnell bestätigen, und mit Hilfe einer Gonioskopie des anderen Auges kann herausgefunden werden, ob es sich um ein primäres oder um ein sekundäres Glaukom handelt. Wartet der Tierarzt in einem solchen Fall mit der Bestätigung der Diagnose so lange ab, bis sich der Augapfel erheblich vergrößert hat, ist es zu spät. Wenn also Zweifel bestehen, sollte immer eine Überweisung zum Spezialisten in Erwägung gezogen werden!

 

Weiterführende Literatur

  • Featherstone H, Holt E. Small Animal Ophthalmology; What’s Your Diagnosis? Oxford, Wiley-Blackwell 2011
  • Peiffer R, Petersen-Jones S (Eds). Small Animal Ophthalmology, A Problem-Oriented Approach. 4th ed. Oxford, Wiley-Blackwell 2008.

Literatur

  1. Heinrich C. Ophthalmic examination. In; Gould D, McLellan G, eds. BSAVA Manual of Canine and Feline Ophthalmology. 3rd ed. Gloucester: BSAVA, 2014 (in press).

  2. Grozdanic SD, Kecova H, Lazic T. Rapid diagnosis of retina and optic nerve abnormalities in canine patients with and without cataracts using chromatic pupil light reflex testing. Vet. Ophthal. 2013;16(5);329-340.

  3. Turner S. Veterinary Ophthalmology: A Manual for Nurses and Technicians London, Butterworth-Heineman 2006;34.

  4. Smith K. Clinical examination and diseases of the fundus in dogs. In Pract July/August 2014;35;(7);315-330.

Gareth Jones

Gareth Jones

Dr. Jones schloss sein Tiermedizinstudium 1986 am Veterinary College der University of Liverpool Mehr lesen

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