Anwendung klinischer Messinstrumente
In Anbetracht der oben genannten Herausforderungen sind die von den Besitzern beschriebenen Verhaltenssymptome nach wie vor das beste Instrument zur Beurteilung chronischer Schmerzen bei Katzen in der klinischen Praxis und stellen daher eine entscheidend wichtige Komponente des diagnostischen Work-ups der felinen OA dar. Informationen über spezifische Verhaltensweisen einer Katzen können standardisiert mit Hilfe spezifischer klinischer Messinstrumente gewonnen werden (CMI und Fragebögen zur Lebensqualität (Quality of Life, QoL) oder zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Health Related Quality of Life, HRQoL). Entwickelt wurden diese Instrumente auf der Grundlage solider Forschungsarbeiten, mit dem Ziel, Schlüsselverhaltensweisen, die auf Schmerzen oder eine eingeschränkte Lebensqualität hindeuten, zu erkennen und zu validieren. In der Regel umfassen sie Fragen zur Mobilität, zur Fähigkeit und Bereitschaft, Aktivitäten durchzuführen, zur Soziabilität und zur Selbstfürsorge oder „Self-Care“ (Nahrungsaufnahme oder Körperpflege). Die Hauptziele solcher klinischen Messinstrumente bestehen darin, festzustellen, wann OA-assoziierte Schmerzen vorhanden sind, und nachzuweisen, ob behandlungsbedingte Verbesserungen erreicht werden.
Mehrere klinische Messinstrumente sowie Fragebögen zur Lebensqualität und zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität wurden zur Anwendung bei Katzen mit chronischen Schmerzen entwickelt und veröffentlicht. Dazu gehören unter anderem:
- Cat Health and Wellbeing HRQoL 6,
- Feline Musculoskeletal Pain Index (FMPI) 7,
- Feline Musculoskeletal Pain Screening Checklist (Feline MiPSC) 8,
- Feline QoL HRQoL 9,
- Montreal Instrument for Cat Arthritis Testing zur Anwendung durch Katzenhalter und Katzenhalterinnen 10,
- Montreal Instrument for Cat Arthritis Testing zur Anwendung durch Tierärzte und Tierärztinnen 10,
- Owner Behavior Watch 11.
Darüber hinaus wurden auch klinische Messinstrumente entwickelt, die spezifischer auf die einzelne Katze zugeschnitten sind, wie zum Beispiel „Client-Specific Outcome Measures CMI“. Diese Fragebögen basieren auf bestimmten Aktivitäten, die der Besitzer oder die Besitzerin als explizit problematisch für die Katze empfindet. Bislang gibt es jedoch keine Evidenzen dafür, dass diese individualisierten Skalen Vorteile gegenüber einem standardisierten klinischen Messinstrument bieten.
Der FMPI ist das derzeit am weitesten entwickelte klinische Messinstrument, es nimmt aber einige Zeit in Anspruch, den Fragebogen vollständig auszufüllen. Im Bemühen, ein schnelles, einfaches und praktisches Instrument für das Screening von Katzen mit OA-assoziierten Schmerzen bereitzustellen und das Bewusstsein der Besitzer und Besitzerinnen für Verhaltensweisen zu schärfen, die durch die Erkrankung beeinträchtigt werden können, wurde vor kurzem eine gekürzte Version des FMPI entwickelt 8. Interessanterweise ändert diese gekürzte Fassung die Genauigkeit beim Screening im Vergleich zur Ursprungsversion nicht, das heißt, es gab keine signifikanten Unterschiede bei Sensitivität, Spezifität, positivem Vorhersagewert oder negativem Vorhersagewert. Diese Feline Musculoskeletal Pain Screening Checklist (Feline MiPSC) kann als Ausgangspunkt für die Diskussion des Themas OA bei Katzen mit den Besitzern und Besitzerinnen genutzt werden, aber auch zur Überprüfung der Notwendigkeit weiterer tierärztlicher Untersuchungen. Die Checkliste besteht aus sechs Punkten, in denen gefragt wird, ob die Katze eine spezifische Aktivität normal ausführen kann oder nicht, wobei alle Fragen mit Ja oder Nein beantwortet werden können:
- Springt Ihre Katze normal nach oben?
- Springt Ihre Katze normal nach unten?
- Steigt Ihre Katze Treppen oder Stufen normal hinauf?
- Steigt Ihre Katze Treppen oder Stufen normal hinunter?
- Läuft Ihre Katze normal?
- Jagt Ihre Katze bewegliche Objekte (Spielzeug, Beutetier usw.)?
Wird eine dieser Fragen mit „Nein“ beantwortet (d. h. die Aktivität ist nicht normal), sollte dies Anlass für eine weiterführende Beurteilung der Katze sein 8. Die Feline MiPSC eignet sich somit als Screening-Tool, während andere Instrumente wie der FMPI oder das Montreal Instrument for Cat Arthritis Testing eher zur Überwachung der Wirksamkeit einer Behandlung eingesetzt werden können 8.
Offen bleibt aber die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Feline MiPSC als Screening-Instrument eingesetzt werden sollte. Bei Katzen wird zwar eine altersbedingte Zunahme der OA demonstriert 12, die Erkrankung ist jedoch sicherlich nicht nur auf ältere Patienten beschränkt. So wurde in einer Studie festgestellt, dass 34 % der Katzen eines mittleren Alters von 6,5 Jahren in Röntgenaufnahmen Symptome einer OA aufwiesen 13, und in seltenen Fällen zeigen Katzen bereits im Alter von nur einem Jahr röntgenologische Hinweise auf entsprechende Veränderungen. In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Screening-Instrument nicht nur Tierärzte und Tierärztinnen beim Screening von Katzen auf OA unterstützt, sondern auch das Bewusstsein für OA unter Katzenhaltern und Katzenhalterinnen schärfen kann, sind die Autorinnen der Meinung, dass die Feline MiPSC ein Routinebestandteil jeder Vorsorgeuntersuchung bei Katzen sein sollte, und zwar unabhängig von deren Alter. Studien zeigen große Diskrepanzen zwischen den Antworten von Besitzern und Besitzerinnen, die über OA informiert sind, und Haltern, die nicht informiert sind, wenn es um die Beurteilung von Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit einer OA geht 8. Wenn man berücksichtigt, dass Katzen ihr normales Verhalten sehr viel eher zu Hause in ihrer gewohnten Umgebung zeigen als in der tierärztlichen Praxis, könnte eine Verbesserung der Aufklärung und des Engagements von Besitzern und Besitzerinnen durch die routinemäßige Anwendung der Feline MiPSC dazu führen, dass veränderte Verhaltensweisen zu Hause mit höherer Wahrscheinlichkeit erkannt werden. Und dies würde zweifellos dazu führen, dass auch die Diagnose einer Osteoarthritis früher gestellt werden kann.