Einleitung
Tierärzte und die Mitarbeiter des Praxisteams werden täglich mit Fragen und Kommentaren von Besitzern über verschiedenste Aspekte der Ernährung und Fütterung von Hunden und Katzen konfrontiert. Viele Argumente und Fragen der Besitzer basieren auf Hörensagen, weit verbreiteten populären Ansichten oder schlicht und ergreifend auf Unwahrheiten. Dr. Heinze beschäftigt sich in diesem Artikel mit einigen der häufiger gestellten Fragen und liefert sowohl das erforderliche Hintergrundwissen als auch die logischen und auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Antworten zu diesen Fragen.
Frage: Ist zu Hause selbst zubereitete Nahrung gesünder für mein Tier als kommerzielle Tiernahrungen?
In einigen Ländern sind zu Hause selbst zubereitete Tiernahrungen traditionell sehr beliebt, während in anderen Ländern, wie zum Beispiel den USA, Futterzubereitung für Tiere zu Hause vor allem in den vergangenen zehn Jahren sehr viel populärer wurde. Viele Besitzer, die Nahrung für ihre Tiere zu Hause selbst zubereiten, äußern ein gewisses Misstrauen gegenüber kommerziellen „industriellen“ Tiernahrungen. Andere sind der Auffassung, dass selbst hergestellte Tiernahrung generell gesünder sei, oder haben den Wunsch, bestimmte Zutaten hinzuzufügen oder wegzulassen. Wiederum andere sind der Meinung, dass die Herstellung zu Hause die Akzeptanz der Nahrung bei ihren Tieren verbessern kann oder Kosten spart.
Theoretisch können zu Hause selbst zubereitete Nahrungen für Kleintiere bei entsprechend sachgerechter Herstellung durchaus nährstoffmäßig ausgewogen und gesund sein. Ob sie aber tatsächlich gesünder sind als kommerzielle Nahrungen ist umstritten, da es nach wie vor an wissenschaftlichen Evidenzen pro oder contra diese Fütterungsphilosophie mangelt. Bedauerlicherweise haben die meisten zu Hause zubereiteten Nahrungen, die entweder empirisch von Tierbesitzern (oder sogar Tierärzten) zusammengestellt oder nach Rezepten aus Büchern oder aus dem Internet hergestellt werden, schwerwiegende diätetische Mängel. In der jüngeren Vergangenheit analysierten mehrere Studien zahlreiche in Büchern veröffentlichte oder im Internet zugängliche Rezepte für zu Hause zubereitete Hunde- und Katzennahrungen und fanden heraus, dass die überwiegende Mehrzahl dieser Rezepturen essenzielle Nährstoffe in Mengen aufweisen, die unterhalb der allgemein anerkannten Empfehlungen liegen 1 2 3.
Eine detaillierte Analyse von Rezepten für zu Hause zubereitete Nahrungen verlangt aufwendige Laboruntersuchungen oder Computeranalysen mit entsprechender Software. Einige grundlegende Komponenten sollten aber immer Bestandteil solcher Rezepturen sein. Rezepte ohne die folgenden Bestandteile sind demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit unausgewogen. Aber auch Rezepte, die sämtliche der genannten Komponenten beinhalten, können schwere Nährstoffungleichgewichte aufweisen.
- Eine tierische Proteinquelle – Zu Hause zubereitete Nahrungen ohne tierische Proteinquelle weisen oft einen Mangel an Proteinen oder Aminosäuren auf.
- Eine Calciumquelle – Entweder als Calciumcarbonat, Calciumphosphat oder Knochenmehl. Anorganische Calciumquellen sind in der Regel am besten geeignet, da Knochenmehl nach den Erfahrungen der Autorin eine variable Verdaulichkeit aufweist.
- Eine Linolsäurequelle – Im typischen Fall Mais-, Raps- oder Distelöle oder entsprechende Mehle, aber auch Hühnerfett oder Hafer können adäquate Mengen an Linolsäure liefern.
- Eine Vitamin- und Mineralstoffquelle – Erforderlich ist in der Regel ein vollwertiges humanes Vitamin-/Mineralstoffsupplement für die einmal tägliche Einnahme. Supplemente für Kleintiere enthalten nämlich in der Regel keine ausreichenden Mengen, um einen ausgewogenen Vitamin- und Mineralstoffgehalt in selbst hergestellten Nahrungen sicherzustellen. Es gibt jedoch einige Supplemente, die speziell (und ausschließlich) für die Herstellung ausgewogener, selbst zubereiteter Nahrungen für Kleintiere konzipiert sind und diesen Zweck durchaus erfüllen können.
- Eine Taurinquelle (für Katzen) – Beim Kochen von Fleisch kommt es zu einer Abnahme der Taurinkonzentration. Taurin sollte deshalb immer supplementiert werden.
Aufgrund des erheblichen Risikos einer Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen sollten zu Hause zubereitete Nahrungen niemals bei wachsenden, graviden oder laktierenden Tieren eingesetzt werden. Da diese Tiere besonders hohe Anforderungen an ihre Nahrung haben, kann eine mangelhafte Nährstoff- und Energieversorgung fatale Folgen haben.
Tierbesitzer, die sich für eine Fütterung mit selbst zubereiteten Nahrungen interessieren, sollten an zertifizierte tierärztliche Ernährungsspezialisten (z. B. Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik) überwiesen werden, um sicherzustellen, dass sie die am besten geeigneten Rezepte erhalten. Sämtliche Rezepturen sollten exakt eingehalten und jährlich überprüft werden, um sicherzustellen, dass sie die diätetischen Richtlinien dauerhaft erfüllen und den individuellen Bedürfnissen des Tieres optimal angepasst sind.
Frage: Braucht mein Hund oder meine Katze zusätzliche Vitamine?
Wenn ein Tier mit einer Nahrung gefüttert wird, die die offiziellen Richtlinien zur Deckung des Mindestbedarfs (Erhaltungsbedarf) einhält [wie z. B. die Nährstoffprofile der Association of American Feed Control Officials (AAFCO) 4], ist es eher unwahrscheinlich, dass es von zusätzlichen Vitamin- oder Mineralstoffgaben profitiert, es sei denn, es liegt ein spezifisches Gesundheitsproblem vor. Die meisten für Kleintiere vermarkteten Vitamin- und Mineralstoffsupplemente gehen davon aus, dass Tiere sämtliche benötigten Nährstoffe bereits über eine ausgewogene Ernährung erhalten und enthalten daher nur geringe Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen, die bei gesunden Tieren wahrscheinlich keine signifikanten Vorteile haben.
Fehlt dem Hersteller eines Supplementes jedoch die ausreichende Sachkunde oder Sorgfalt, besteht bei zusätzlicher Vitamin- und Mineralstoffgabe zu einer ausgewogenen Ernährung durchaus auch die Gefahr einer übermäßigen Aufnahme potenziell toxischer Mengen bestimmter Nährstoffe. Beispiele für eine problematische Zufuhr von Nährstoffen fand die Autorin unter anderem im Bereich von Supplementen, die für Welpen großer Hunderassen vermarktet werden, die zusätzliches Calcium enthalten (übermäßige Calciumzufuhr ist ein Hauptrisikofaktor für die Entstehung entwicklungsbedingter orthopädischer Erkrankungen), bei Fischölsupplementen, die hohe Vitamin-A- und D3-Konzentrationen aufweisen und bei zahlreichen Vitaminsupplementen mit übermäßig hohen Vitamin-D3-Konzentrationen.
Im Allgemeinen benötigen sämtliche Hunde und Katzen, die mit zu Hause zubereiteten Nahrungen ernährt werden (mögliche Ausnahme sind Tiere, die ganze Beutetiere verzehren) eine Vitamin- und Mineralstoffsupplementierung, um eine bedarfsgerechte Versorgung mit allen essenziellen Nährstoffen zu gewährleisten. Wie oben erwähnt, enthalten aber die meisten für Kleintiere vermarkteten Supplemente keine ausreichenden Nährstoffkonzentrationen, um die Ausgewogenheit einer zu Hause zubereiteten Nahrung sicherzustellen. Insbesondere gilt dies, wenn das Produkt laut Etikett für „Tiere jeden Alters und für Tiernahrungen jeden Typs“ geeignet ist. Für die sachgerechte Herstellung ausgewogener zu Hause zubereiteter Nahrungen werden vielmehr spezielle Produkte benötigt, und oft müssen bei diesen Nahrungen multiple Supplemente eingesetzt werden. Die Autorin verwendet gewöhnlich fünf bis sieben verschiedene humane Supplemente, um das gewünschte Vitamin-/Mineralstoffgleichgewicht in einem Rezept für zu Hause zubereitete Nahrungen zu erreichen.
Frage: Sind Kohlenhydrate schädlich für Katzen?
Nur wenige Streitfragen werden in der felinen Medizin heißer diskutiert, als die Rolle der Kohlenhydrate in der Ernährung von gesunden und kranken Katzen. Da die natürliche Nahrung der Katze aus meist eher kohlenhydratarmen Kleinnagern, Vögeln und Reptilien besteht, wird argumentiert, dass Katzen über ihre Nahrung generell keine substanziellen Kohlenhydratmengen aufnehmen sollten. Trotz ihrer Anpassung an eine geringe Kohlenhydratzufuhr (z. B. upregulierte gluconeogenetische Pathways, niedrige Aktivität der hepatischen Glucokinase) haben Katzen aber die Fähigkeit bewahrt, Kohlenhydrate zu verarbeiten. Richtig gekochte Kohlenhydrate können eine Verdaulichkeit von 93% und darüber aufweisen 5. Katzen haben zwar eine obere Schwelle für diätetische Kohlenhydrate, die deutlich niedriger liegt als bei Hunden, Schweinen oder Menschen, die meisten Katzen vertragen die typischerweise in kommerziellen Katzennahrungen enthaltenen Kohlenhydratkonzentrationen aber sehr gut [5-40% der Kalorien auf Basis der metabolisierbaren Energie (ME)].
Befürworter einer Begrenzung des Kohlenhydratgehaltes in Katzennahrung machen Kohlenhydrate oft verantwortlich für verschiedene gesundheitliche Probleme, wie zum Beispiel Adipositas und die Entwicklung von Diabetes mellitus (Abbildung 1). Kohlenhydratarme Diätnahrungen werden oft als wahre Wundermittel für eine Gewichtsreduktion beschrieben, weil sie „natürlicher“ sind und Katzen daher ihre Kalorienaufnahme gewissermaßen von selbst auf ein geeignetes Maß reduzieren. Andere Quellen postulieren, dass kohlenhydratreiche Nahrungen direkt zu Fetteinlagerungen führen, unabhängig vom Kaloriengehalt. Interessanterweise haben kohlenhydratarme Nahrungen in der Regel aber einen höheren Fettgehalt und damit eine höhere Kaloriendichte, also einen wichtigen Risikofaktor für Adipositas.