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Veterinary Focus

Ausgabe nummer 30.2 Sonstiges Wissenschaft

Antibiotika: Zwischen Segen und Fluch

veröffentlicht 19/11/2020

Geschrieben von Nancy De Briyne

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español , English und ภาษาไทย

Nancy De Bryine beschreibt, auf welche Weise der tierärztliche Berufsstand für die Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Mensch und Tier weltweit verantwortungsvolle Richtlinien für die rationale Anwendung von Arzneimitteln entwickeln kann.

Antibiotika: Zwischen Segen und Fluch

Kernaussagen

Hunde und Katzen leben heute in sehr viel engerem Kontakt zu ihren Besitzern, so dass zoonotische Bakterien sehr leicht zwischen Tieren und ihren Besitzern übertragen werden können.


Die weit verbreitete Anwendung von Antibiotika hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer dramatischen Zunahme von Antibiotikaresistenzen geführt, und man geht davon aus, dass diese Entwicklung in den kommenden Jahren erhebliche Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben kann.


Antibiotikaresistenzraten unterscheiden sich von Land zu Land, je nach Antibiotikaklasse und je nach Bakterium in erheblichem Maße, sie befinden sich jedoch auf einem Level, das nahezu überall Anlass zur Sorge gibt.


Eine verantwortungsvolle und insgesamt reduzierte Anwendung von Antibiotika kann zu einem Rückgang von Antibiotikaresistenzen führen.


 Einleitung

Seit ihrer erstmaligen Einführung werden Antibiotika bei Menschen und Tieren weltweit in sehr großem Umfang eingesetzt und leisten dabei einen großen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens von Mensch und Tier. Leider haben diese Verbesserungen aber auch ihren Preis, denn der weit verbreitete Einsatz von Antibiotika hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einem dramatischen Anstieg von Antibiotikaresistenzen geführt. In Worst-Case-Szenarien geht man davon aus, dass Antibiotikaresistenzen im Jahr 2050 zu 10 Millionen Todesfällen bei Menschen beitragen könnten 1. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über Antibiotikaresistenzen und den Weg, der noch vor uns liegt. Vielfach wird in diesem Zusammenhang auch von antimikrobieller Resistenz gesprochen, wobei antimikrobielle Substanzen insgesamt Antibiotika, Antimykotika, antivirale Substanzen und Antiprotozoika umfassen. Da Resistenzprobleme aber hauptsächlich bei Antibiotika auftreten, verwenden wir in diesem Artikel ausschließlich den Begriff Antibiotikaresistenz.

Die gegenwärtige Krise der Antibiotikaresistenzen stellt grundsätzlich sämtliche Aspekte des Antibiotikaeinsatzes auf den Prüfstand, insbesondere aber die Anwendung von Antibiotika bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen. Bei den für die Behandlung von Tieren eingesetzten Antibiotika handelt es sich weitgehend um dieselben Substanzklassen, die auch in der Humanmedizin zur Behandlung bakterieller Infektionen angewendet werden. In vielen Ländern hat dies zu einer intensiven und kritischen Erfassung und Überprüfung der Antibiotikaanwendung bei Tieren geführt, insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen Nutztiere. Einige Autoren gehen sogar so weit, die Antibiotikaanwendung bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, als Hauptquelle für die Belastung des Menschen mit Antibiotikaresistenzen verantwortlich zu machen.

Wie reagieren verschiedene Länder auf die Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen?

Zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen haben viele Länder inzwischen begonnen, die Resistenzen von Bakterien 2 und die Mengen der für die Anwendung bei landwirtschaftlichen Nutztieren und bei Menschen verkauften Antibiotika zu überwachen. Dieses Monitoring erfolgt insbesondere durch die European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption (ESVAC) und das European Surveillance of Antimicrobial Consumption Network (ESAC) 3. Ähnliche, wenn auch oftmals weniger detaillierte Monitoringsysteme, wurden oder werden aktuell auch in anderen Teilen der Welt entwickelt, zum Beispiel in Nordamerika, Ozeanien und Asien. 
Zoonotische Bakterien können zwischen Tieren und Menschen übertragen werden und zeigen eine alarmierend hohe Resistenzrate. Besonders gefährdet sind verletzliche Individuen, wie zum Beispiel sehr junge Kinder.
Abbildung 1. Zoonotische Bakterien können zwischen Tieren und Menschen übertragen werden und zeigen eine alarmierend hohe Resistenzrate. Besonders gefährdet sind verletzliche Individuen, wie zum Beispiel sehr junge Kinder. © Shutterstock

Die Resistenzraten unterscheiden sich von Land zu Land, je nach Antibiotikaklasse und je nach Bakterium zum Teil in ganz erheblichem Maße, sie befinden sich jedoch generell auf einem Level, das nahezu überall Anlass zur Sorge gibt. Weit verbreitete Bakterien wie E. coli, Klebsiella , Pseudomonas spp. und Staphylococcus 4 zeigen oft hohe Resistenzraten gegen eine oder mehrere Antibiotikagruppen. Die Behandlung wird dadurch vielfach zu einer großen Herausforderung, insbesondere, wenn es sich um sehr verletzliche Patienten handelt, wie z. B. junge Kinder, ältere Menschen oder immunsupprimierte Patienten. Alarmierend hohe Resistenzraten findet man darüber hinaus aber auch bei einigen zwischen Tieren und Menschen übertragbaren zoonotischen Bakterien, wie z. B. Campylobacter spp. und Salmonella spp. (Abbildung 1). Nicht selten kommen wir dadurch zu dem Punkt, an dem banale Infektionen immer häufiger sehr schwierig oder manchmal sogar unmöglich zu behandeln sind. Bei Hunden und Katzen werden Resistenzdaten häufig vorkommender Bakterien bislang bedauerlicherweise noch nicht routinemäßig erfasst und überwacht.

In der Europäischen Union wird die Menge der für die Anwendung bei landwirtschaftlichen Nutztieren verkauften Antibiotika mittlerweile seit mehr als einem Jahrzehnt flächendeckend erfasst und kritisch überprüft 5. Zentrales Ziel ist die Förderung eines rationalen und verantwortungsvollen Einsatzes von Antibiotika, wobei der Fokus auf der Prävention liegt. So gibt es in Europa seit mehreren Jahren zahlreiche konzertierte Anstrengungen für eine Erhöhung des Bewusstseins unter allen Beteiligten für dieses wichtige Thema. Diese Bemühungen haben dazu geführt, dass die Antibiotikaanwendung bei landwirtschaftlichen Nutztieren in Europa in den vergangenen sechs Jahren um insgesamt 32 % abgenommen hat, wobei einige Länder hier deutlich weiter gehen und einen Rückgang des Antibiotikaverbrauchs um mehr als 50 % erreicht haben 5. In den USA ist die Antibiotikaanwendung bei Tieren seit 2009 um 28 % zurückgegangen 6. Als extrem positiv zu bewerten ist, dass all dies ohne negative Auswirkungen auf die Tiergesundheit, das Tierwohl oder die Produktivität gelungen ist.

Einige Länder gehen inzwischen über das einfache Monitoring von Verkaufszahlen hinaus und haben begonnen, Daten über die Art und Weise der Antibiotikaanwendung zu erheben und sogar ein Benchmarking der pro landwirtschaftlichem Betrieb und pro Tierarzt angewendeten Antibiotikamengen eingeführt. Die seit 2019 gültige neue europäische Gesetzgebung über Tierarzneimittel 6 verpflichtet zur Überwachung des gesamten Einsatzes von Antibiotika bei Tieren – einschließlich Kleintieren – ab dem Jahr 2029 7  8. In den meisten Fällen erfolgt die Erhebung dieser Informationen durch das Zusammentragen entsprechender Verordnungsdaten von Tierärzten. Während aber die Antibiotikaanwendung und Antibiotikaresistenzen bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, heute bereits mit großer Aufmerksamkeit bedacht werden, spielen diese Themen bei Kleintieren bislang keine besonders große Rolle. Woran liegt das?

Antibiotikaresistenz bei Kleintieren: Ist das ein Thema?

Tieren können bei entsprechendem Kontakt Infektionen mit resistenten Bakterien auf stationäre Patienten übertragen. Umgekehrt kann ein humaner Patient aber auch Bakterien auf Tiere übertragen.
Abbildung 2. Tieren können bei entsprechendem Kontakt Infektionen mit resistenten Bakterien auf stationäre Patienten übertragen. Umgekehrt kann ein humaner Patient aber auch Bakterien auf Tiere übertragen. © Shutterstock

Als Kleintiere unterscheiden sich Hunde und Katzen von Lebensmittel liefernden Tieren in vielerlei Hinsicht. So werden Kleintiere insgesamt wahrscheinlich weniger häufig mit Antibiotika behandelt als Tiere, die der Lebensmittelgewinnung dienen. Zudem leben als Haustiere gehaltene Kleintiere gewöhnlich nicht in größeren Gruppen zusammen (im Unterschied zu Schweinen oder Geflügel), sind damit weniger exponiert gegenüber Gruppenerkrankungen und werden in der Regel auf individueller Basis behandelt, und dies meist nur über eine kurze Dauer. Wenn man vor diesem Hintergrund die Antibiotikamengen insgesamt miteinander vergleicht, die bei landwirtschaftlichen Nutztieren und bei Kleintieren eingesetzt werden, so wird klar, dass im Kleintierbereich letztlich nur ein Bruchteil des Gesamtvolumens verbraucht wird 5. Auf der anderen Seite hat sich im Laufe der Jahre die Anzahl der Kleintiere weltweit substanziell erhöht, und immer mehr Menschen betrachten Hunde, Katzen und andere Heimtiere zunehmend als Teil ihrer eigenen Familie. Heute leben Hunde und Katzen in sehr viel engerem Kontakt mit ihren Besitzern und schlafen oft sogar im selben Bett, mit der Folge, dass zoonotische Bakterien leicht zwischen Kleintieren und ihren Besitzern übertragen werden können 9. So sind zum Beispiel Hunde eine potenzielle Quelle für Infektionen des Menschen mit Campylobacter spp. 10 oder Staphylococcus spp. 11. Die Risiken, dass humanpathogene Erreger „Resistenzgene“ erwerben, die von resistenten Bakterien bei Kleintieren stammen, bzw. die Risiken einer Übertragung resistenter Mikroorganismen zwischen Menschen und ihren Kleintieren sind bei Kleintieren also letztlich sehr viel höher als bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen. So können Kleintiere unter anderem MRSA-Stämme (Methicillin resistente Staphylococcus aureus) aufweisen, die aus dem humanen Erregerreservoir zu stammen scheinen 12 und beherbergen nachweislich auch andere resistente Staphylococcus-Stämme 13. Dieser Austausch kann in beide Richtungen erfolgen, also nicht nur von Kleintier zu Besitzer, sondern auch umgekehrt. Besitzer, die im Gesundheitswesen arbeiten oder Besitzer, die selbst hospitalisiert waren, können Bakterien auf ihre Kleintiere übertragen (Abbildung 2).

In den vergangenen Jahren bemühen sich Besitzer von Kleintieren weltweit in zunehmendem Maße um die Gesundheit und das Wohlbefinden ihrer vierbeinigen Freunde. Dies hat zur Folge, dass ein höherer Anteil von Tieren häufiger zum Tierarzt gebracht wird, und zwar nicht nur, wenn Erkrankungen vorliegen, sondern auch aus Gründen der Prävention. Dadurch werden letztlich insgesamt auch mehr Tiere potenziell mit Antibiotika behandelt. Untersuchungen stellen zudem fest, dass kritische Antibiotika bei Kleintieren mit höherer Wahrscheinlichkeit eingesetzt werden als bei anderen Tierarten 14.

Aus allen genannten Gründen ist es sehr wichtig, bei der Diskussion um Antibiotikaresistenzen auch Kleintiere angemessen zu berücksichtigen.

Antibiotikaanwendung und Antibiotikaresistenzen bei Kleintieren: Wie ist die aktuelle Lage?

Leider gibt es zur Antibiotikaanwendung und zu Antibiotikaresistenzen bei Kleintieren nur sehr wenige Daten. In vielen Ländern und Regionen der Welt werden die Resistenzraten für humane Bakterien und zoonotische Bakterien von offizieller Seite überwacht, für Kleintiere trifft dies aber nicht zu. Gleiches gilt auch für die Überwachung der Antibiotikaanwendung bei Kleintieren. Gegenwärtig erfassen und dokumentieren nur sehr wenige Länder systematisch die Anwendung von Antibiotika bei Hunden und Katzen. Folglich ist es schwierig, einen verlässlichen globalen Überblick über die Antibiotikaanwendung und Antibiotikaresistenzen bei Kleintieren zu bekommen.
Nancy De Briyne

Verordnen Sie das richtige Arzneimittel für die richtige Erkrankung! Verordnen Sie Antibiotika nur dann, wenn eine bakterielle Infektion nachgewiesen ist oder bei einem gut begründeten klinischen Verdacht. Wann immer angezeigt, sollte ein Antibiogramm erstellt werden, insbesondere nach einem Therapieversagen.

Nancy De Briyne

Die wenigen Studien, die sich mit Resistenzraten von aus Kleintieren isolierten Bakterien beschäftigen, liefern unterschiedliche Ergebnisse. Die meisten dieser Veröffentlichungen basieren auf diagnostischen Laboranalysen. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Berichte über Resistenzen aus diesen Labors meist Worst-Case-Szenarien darstellen, da sie häufig Fälle von Therapieversagen repräsentieren. Probenmaterial erfolgreicher antibiotischer Behandlungen erreichen solche Labore dagegen in der Regel eher nicht 9. Einige Studien zeigen tendenziell zunehmende Resistenzen, während andere eine zunehmende Resistenz gegenüber bestimmten Antibiotikaklassen beschreiben, die möglicherweise dadurch zu erklären ist, dass bestimmte Antibiotika häufiger eingesetzt werden als andere 15. So zeigt zum Beispiel eine Studie aus dem Jahr 2014, in der 14 555 klinische Staphylococcus intermedius-Isolate von Hunden und Katzen aus Großbritannien untersucht wurden, zunehmende Resistenzen gegenüber wichtigen Antibiotika und eine Zunahme von Methicillin-resistenten Staphylococcus pseudintermedius (MRSP) in klinischen Fällen 16. Eine Studie aus Singapur analysierte diagnostische Proben, die zwischen 2014 und 2016 in Kleintierkliniken gesammelt wurden, und isolierte 359 Bakterienspezies, von denen 186 zoonotisch waren 17. Von den 359 isolierten Bakterien, waren 45 % multiresistent, und bei 18 % handelte es sich um Breitspektrum-Beta-Laktamase-resistente Spezies. Eine weitere Studie sammelte 303 Proben aus Belgien, Italien und den Niederlanden und bestimmte die Resistenzprofile von 282 Escherichia coli-Isolaten, wobei sich herausstellte, dass die Bakterien in 27 % der untersuchten Isolate resistent gegen mindestens ein Antibiotikum waren 18.

Eine europäische Studie untersuchte die Gründe für die Anwendung von Antibiotika bei Hunden und Katzen und fand heraus, dass die häufigsten Indikationen für Antibiotika bei Hunden Hauterkrankungen (Wunden, Dermatitis, Pyodermie), Otitiden, Urogenitalinfektionen, respiratorische Probleme, gastrointestinale und dentale Erkrankungen waren 19, während die häufigsten Indikationen für Antibiotika bei Katzen Hauterkrankungen (Wunden, Abszesse, Dermatitis), Atemwegsbeschwerden, Urogenitalinfektionen und parodontale Probleme waren. In anderen Ländern ist die Situation ähnlich, Studien zeigen jedoch, dass die Antibiotikaanwendung bei einigen dieser Indikationen durchaus reduziert werden kann. Zum Beispiel sind Antibiotika bei vielen Katzen mit Erkrankungen der ableitenden Harnwege nicht unbedingt angezeigt.

Daten zur Antibiotikaanwendung zeigen zudem erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern. In Dänemark, also in einem der Länder mit offizieller Erfassung und Dokumentation der Antibiotikaanwendung, beobachtete man seit 2012 einen Rückgang des Antibiotikaverbrauchs bei Kleintieren von etwa 10 % 20. Und auch eine Studie aus den Niederlanden fand heraus, dass die Antibiotikaanwendung bei Kleintieren von 2012 bis 2014 signifikant abnahm 21, wobei jedoch zu beachten ist, dass zwischen verschiedenen tierärztlichen Praxen diesbezüglich große Unterschiede in der Gesamtanwendung festgestellt wurden, von einer Abnahme um das 64-fache im Jahr 2012 bis zu einer Abnahme um das 20-fache im Jahr 2014. Die oben erwähnte länderübergreifende Studie aus Belgien, Italien und den Niederlanden 18 fand zudem heraus, dass Katzen und Hunde im Durchschnitt im Verlauf eines Jahres über 1,8 bzw. über 3,3 Tage Antibiotika erhielten. Eine Korrelation zwischen Antibiotikaanwendung und Antibiotikaresistenz wurde in dieser Studie allerdings nicht gefunden, so dass man letztlich zu der Schlussfolgerung kam, dass der wichtigste Aspekt die Qualität der Antibiotikaanwendung ist, und nicht etwa deren Quantität. Ab dem Jahr 2030 werden diesbezüglich mehr Daten zur Verfügung stehen, da wie oben erwähnt ab Januar 2029 alle EU-Länder verpflichtet sind, die Antibiotikaanwendung bei Hunden und Katzen zu überwachen 7.

Was können wir tun, um Antibiotikaresistenzen bei Hunden und Katzen zu bekämpfen?

Die positive Nachricht ist, dass Tierärzte und Besitzer gemeinsam den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen unterstützen können. In einigen Ländern mit starker Abnahme der Antibiotikaanwendung kann man auch einen Rückgang von Antibiotikaresistenzen beobachten. So kam es zum Beispiel in Deutschland bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen, zu einem Rückgang von MRSA 22. Resistenzen können also durchaus zurückgedrängt werden, und einige grundlegende Prinzipien können diesen Kampf unterstützen:

  • Verordnen Sie das richtige Arzneimittel für die richtige Erkrankung. Verordnen Sie Antibiotika nur dann, wenn eine bakterielle Infektion tatsächlich nachgewiesen ist oder bei einem gut begründeten klinischen Verdacht. Wann immer angezeigt, sollte ein Antibiogramm durchgeführt werden, insbesondere nach einem Therapieversagen (Abbildung 3).
  • Arbeiten Sie zusammen mit Ihren Kunden daran, den Antibiotikabedarf zu minimieren und zu stoppen. Präventive Gesundheitsmaßnahmen sind essenziell für alle Tiere, also auch für Kleintiere. Durch die richtige Impfung, strikte Hygienemaßnahmen, eine gute Fütterung und eine artgerechte Haltung können viele Infektionen verhindert werden, so dass die Notwendigkeit von Antibiotikabehandlungen gar nicht erst entsteht. Klar ist, dass Erkrankungen bei Tieren nicht immer durch bakterielle Infektionen verursacht werden. Eine Studie zeigt, dass Tierärzte und Besitzer gelegentlich unterschiedliche Auffassungen darüber haben, von welcher Seite der Druck zu einer unangemessenen Verordnung von Antibiotika kommt. In der Wahrnehmung der Tierärzte waren es hauptsächlich die Besitzer, die auf einen unangemessenen Antibiotikaeinsatz drängten, während Tierbesitzer auf der anderen Seite berichteten, dass sie das Gefühl haben, Tierärzte verschreiben zu viel Antibiotika (Abbildung 4) 23.
  • „Kritische Antibiotika“ nur als Ultima Ratio einsetzen. Im Idealfall sollten kritische Antibiotika nur nach Antibiogramm eingesetzt werden, und Wirkstoffe wie Fluoroquinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation oder Colistin sollten generell sehr vorsichtig eingesetzt werden.
  • Zulassungsüberschreitende Anwendung vermeiden. So weit wie möglich sollten stets Antibiotika eingesetzt werden, die spezifisch für die Anwendung bei der betreffenden Tierart und bei der tatsächlich vorhandenen Erkrankung zugelassen sind (z.B. für Uterusinfektionen bei der Hündin). Zudem sollten die Angaben des Herstellers in den Produktinformationen bezüglich der Dosierung und der Behandlungsdauer eingehalten werden. Um jeden Preis zu vermeiden ist der Einsatz humaner Antibiotika ohne Zulassung für Kleintiere, wie z. B. Carbapeneme, Oxazolidone und Glycopeptide. Dabei handelt es sich nämlich um entscheidend wichtige Antibiotika, die nur bei Menschen angewendet werden sollten.
  • Befolgen Sie die Leitlinien zur Antibiotikaanwendung. Studien zeigen, dass nationale Guidelines zur Antibiotikaanwendung einen positiven Einfluss auf das Verordnungsverhalten von Kleintierpraktikern haben können. In Ländern, die solche Leitlinien anwenden, beobachtet man eine rationalere und verantwortungsvollere Anwendung von Antibiotika 24. Guidelines zur rationalen Antibiotikaverordnung sind insbesondere bei häufigen Problemen wie Haut-, Harnwegs- und Ohrinfektionen sinnvoll.
  • Melden Sie unerwünschte Ereignisse an die zuständigen Behörden. Das Melden von Nebenwirkungen ermöglicht es Behörden und Herstellern, die Sicherheit und Wirksamkeit von Tierarzneimitteln zu überwachen und gegebenenfalls erforderliche Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Tierärzte, Tierbesitzer und nicht zuletzt die Tiere profitieren also von solchen Meldungen über unerwünschte Ereignisse und den nachfolgend getroffenen Maßnahmen (z. B. Veränderungen der Kennzeichnung). Zu den unerwünschten Ereignissen gehört im Übrigen auch eine fehlende Wirksamkeit der Behandlung.

Antibiotika sollten nur dann verordnet werden, wenn eine bakterielle Infektion nachgewiesen ist oder wenn der behandelnde Tierarzt einen gut begründeten klinischen Verdacht auf eine Infektion hat. Eine Kultur mit Antibiogramm sollte bei entsprechender Indikation immer durchgeführt werden, insbesondere nach einem Therapieversagen.
Abbildung 3. Antibiotika sollten nur dann verordnet werden, wenn eine bakterielle Infektion nachgewiesen ist oder wenn der behandelnde Tierarzt einen gut begründeten klinischen Verdacht auf eine Infektion hat. Eine Kultur mit Antibiogramm sollte bei entsprechender Indikation immer durchgeführt werden, insbesondere nach einem Therapieversagen. © Shutterstock
Tierärzte und Besitzer haben manchmal unterschiedliche Auffassungen darüber, wer auf die unangemessene Verordnung von Antibiotika drängt. Eine gute Kommunikation zwischen Besitzer und Tierarzt sorgt dafür, dass Antibiotika korrekt eingesetzt werden.
Abbildung 4. Tierärzte und Besitzer haben manchmal unterschiedliche Auffassungen darüber, wer auf die unangemessene Verordnung von Antibiotika drängt. Eine gute Kommunikation zwischen Besitzer und Tierarzt sorgt dafür, dass Antibiotika korrekt eingesetzt werden. © Shutterstock

Gibt es Guidelines für die „gute Antibiotikaanwendung“ bei Kleintieren?

Verschiedene Ressourcen unterstützen das Praxisteam bei der verantwortungsvollen Anwendung von Antibiotika, z. B. die Informationsmaterialien der FECAVA und der FVE.
Abbildung 5. Verschiedene Ressourcen unterstützen das Praxisteam bei der verantwortungsvollen Anwendung von Antibiotika, z. B. die Informationsmaterialien der FECAVA und der FVE. © FECAVA/FVE

Im Rahmen der Förderung einer rationalen Anwendung von Antibiotika unter tierärztlicher Aufsicht haben die World Veterinary Association (WVA) und die World Organization for Animal Health (OIE) ein globales Archiv angelegt, das sämtliche im Jahr 2019 verfügbaren Guidelines für eine verantwortungsvolle Antibiotikaanwendung bei Tieren zusammenstellt 25. Mehr als 130 Guidelines, Handlungspläne und Informationsmaterialien zur rationalen Anwendung von Antibiotika wurden gefunden. Obwohl sich nur wenige dieser Richtlinien spezifisch mit Hunden und Katzen befassen (Tabelle 1), können sie hilfreiche Ressourcen für die Kleintierpraxis darstellen, zusammen mit den Materialien von der FECAVA und FVE (Abbildung 5).

 

Land oder Organisation Titel des Dokuments Weblink
Belgien
Guidelines für die Anwendung von Antibiotika bei Hunden (Niederländisch, Französisch) https://formularium.amcra.be/a/2
Belgien
Guidelines für die Anwendung von Antibiotika bei Katzen (Niederländisch, Französisch) https://formularium.amcra.be/a/7
Dänemark
Guidelines für die Anwendung von Antibiotika in der Kleintierpraxis (Dänisch und Englisch) https://www.ddd.dk/media/2175/assembled_final.pdf
Frankreich
Broschüre zur Förderung der rationalen Anwendung von Antibiotika bei Hunden und Katzen (Französisch)
 
Nationaler Plan für die Reduzierung des Risikos antimikrobieller Resistenzen in der Tiermedizin (Französisch, Englisch, Spanisch) 
 
Neuseeland
Guidelines for the clinical use of antimicrobial agents in the treatment of dogs & cats (Englisch) http://www.worldvet.org/uploads/docs/nzva_guideline_companion.pdf
Norwegen
Guidelines für die Anwendung von Antibiotika bei Hunden und Katzen (Norwegisch) https://bit.ly/2PicF23
Schweden
Guidelines für die klinische Anwendung von Antibiotika zur Behandlung von Hunden und Katzen (Englisch, Schwedisch) https://www.svf.se/media/ahwpbt52/policy-ab-english-10b.pdf
Schweiz
Umsichtiger Einsatz von Antibiotika bei Hunden und Katzen (Französisch, Deutsch)
https://bit.ly/36uDndG (Französisch)
USA
Basic Guidelines of Judicious Therapeutic Use of Antimicrobials (Englisch) https://www.aaha.org/globalassets/02-guidelines/antimicrobials/aafp_aaha_antimicrobialguidelines.pdf



FECAVA/FVE Decision tree on responsible use antimicrobials https://bit.ly/34olAne
FECAVA/FVE Recommendations for Appropriate Antimicrobial Therapy https://bit.ly/2LSnIwQ
FECAVA/FVE Advice to Companion Animal Owners on Responsible Use of Antibiotics & Infection Control https://bit.ly/36Bxds7
FVE
Responsible use of antibiotics with advice for companion animals’ owners (all EU languages) https://www.fve.org/publications/fve-guidelines-responsible-use-of-antibiotics/
Tabelle 1. Antibiotika-Guidelines und Broschüren für Kleintiere.

 

Antibiotika haben über die vergangenen Jahrzehnte enorme Vorteile für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mensch und Tier gebracht. Aufgrund der zunehmenden Risiken von Antibiotikaresistenzen müssen praktische Tierärzte aber noch aufmerksamer und kritischer auf die Praxis ihrer eigenen Antibiotikaverordnung schauen. In der Kleintierpraxis sollten Antibiotika nur bei spezifischer Indikation verordnet werden, und in allen Fällen sollten die Angaben in den Produktinformationen der Hersteller beachtet werden. Die sorgfältige Analyse eines klinischen Falles kann dafür sorgen, dass Antibiotika tatsächlich nur bei entsprechender Indikation verordnet werden. Und schließlich kann eine gute Kommunikation mit den Besitzern sicherstellen, dass Antibiotika richtig angewendet werden.

Literatur

  1. The European Union summary report on antimicrobial resistance in zoonotic and indicator bacteria from humans, animals and food in 2017. EFSA Journal 2019;17:e05598.

  2. Hartantyo SHP, Chau ML, Fillon L, et al. Sick pets as potential reservoirs of antibiotic-resistant bacteria in Singapore. Antimicrobial Resist Infect Control 2018;7:106.

  3. European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption (ESVAC): https://www.ema.europa.eu/en/veterinary-regulatory/overview/antimicrobial-resistance/european-surveillance-veterinary-antimicrobial-consumption-esvac
    European Surveillance of Antimicrobial Consumption Network (ESAC): https://www.ecdc.europa.eu/en/antimicrobial-consumption/surveillance-and-disease-data/report-protocol

  4. Kempker R, Eaton M, Mangalat D, et al. Beware of the pet dog: a case of Staphylococcus intermedius infection. Am J Med Sci 2009;338:425-427.

  5. European Medicines Agency. Advice on implementing measures under Article 57(3) of Regulation (EU) 2019/6 on veterinary medicinal products – Report on specific requirements for the collection of data on antimicrobial medicinal products used in animals. Ref. Ares (2019)5494385 – 30/08/2019. https://ec.europa.eu/food/sites/food/files/animals/docs/ah_vet-med_imp-reg-2019-06_ema-advice_art-57-3.pdf

  6. EFSA (European Food Safety Authority) and ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control). The European Union summary report on antimicrobial resistance in zoonotic and indicator bacteria from humans, animals and food in 2017. EFSA J 2019;17(2):5598;278. doi.org/10.2903/j.efsa.2019.5598

  7. Cohn LA, Middleton JR. A veterinary perspective on methicillin-resistant staphylococci. J Vet Emer Crit Care 2010;20:31-45.

  8. Awosile BB, McClure JT, Saab ME, et al. Antimicrobial resistance in bacteria isolated from cats and dogs from the Atlantic Provinces, Canada from 1994-2013. Can Vet J 2018;59:885.

  9. Jessen LR, Sørensen TM, Lilja ZL, et al. Cross-sectional survey on the use and impact of the Danish national antibiotic use guidelines for companion animal practice. Acta Vet Scand 2017;59:81.

  10. European Medicines Agency. European Surveillance of Veterinary Antimicrobial Consumption, 2019. “Sales of veterinary antimicrobial agents in 31 European countries in 2017”. (EMA/294674/2019)

  11. Joosten P, Ceccarelli D, Odent E, et al. Antimicrobial usage and resistance in companion animals: a cross-sectional study in three European countries. Antibiotics 2020;9:87. doi:10.3390/antibiotics9020087

  12. European Union. Regulation (EU) 2019/6 of the European Parliament and of the Council of 11 December 2018 on veterinary medicinal products and repealing Directive 2001/82/EC. Official J L 4, 7.1.2019;43-167. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32019R0006

  13. O’Neill J. Antimicrobial resistance: tackling drug-resistant infections globally: final report and recommendations. Rev Antimicrob Resist 2014. http://amr-review.org/Publications

  14. Briyne ND. Critically Important Antibiotics – comparison table WHO, OIE and AMEG. December 2019. www.researchgate.net/publication/328981153_Critically_Important_Antibiotics-_comparison_table_WHO_OIE_and_AMEG

  15. Smith M, King C, Davis M, et al. Pet owner and vet interactions: exploring the drivers of AMR. Antimicrobial Resist Infect Control 2018;7:46.

  16. Catry B, van Duijkeren E, Pomba MC, et al. Reflection paper on MRSA in food-producing and companion animals: epidemiology and control options for human and animal health. Epidemiol Infect 2010;138:626-644.

  17. Beever L, Bond R, Graham PA, et al. Increasing antimicrobial resistance in clinical isolates of Staphylococcus intermedius group bacteria and emergence of MRSP in the UK. Vet Rec 2015;176:172.

  18. Borck B, Korsgaard H, Sönksen U, et alDANMAP annual report; Use of antimicrobial agents and occurrence of antimicrobial resistance in bacteria from food animals, food and humans in Denmark 2018. ISSN 1600-2032

  19. Pires SM, Christensen J. Source attribution of Campylobacter infections in Denmark – technical report. Kgs. Lyngby: National Food Institute, Technical University of Denmark 2017

  20. Lloyd, DH. Reservoirs of antimicrobial resistance in pet animals. Clin Infect Dis 2007;45:S148-S152.

  21. Briyne ND, Atkinson J, Borriello SP, et al. Antibiotics used most commonly to treat animals in Europe. Vet Rec 2014;175:325-325.

  22. Gottlieb S. Statement from FDA Commissioner Scott Gottlieb, M.D. on the FDA’s 2017 report on declining sales/distribution of antimicrobial drugs for food animals, a reflection of improved antimicrobial stewardship. Available online: www.fda.gov/news-events/press-announcements/statement-fda-commissioner-scott-gottlieb-md-fdas-2017-report-declining-salesdistribution (accessed on Dec 13, 2019).

  23. European Centre for Disease Prevention and Control. Surveillance of antimicrobial resistance in Europe 2018. Stockholm: ECDC; 2019. ISBN 978-92-9498-387-9

  24. Hopman NEM, van Dijk MAM, Broens EM, et al. Quantifying antimicrobial use in Dutch companion animals. Front Vet Sci 2019;6:158.

  25. World Veterinary Association (WVA). Global repository of Antimicrobial Use Guidelines. Oct 2019. http://www.worldvet.org/uploads/docs/021rev3_list_of_available_guidelines_on_amu_21oct_2019.pdf

Nancy De Briyne

Nancy De Briyne

Dr. De Briyne schloss ihr Tiermedizinstudium 1996 an der Universität Gent in Belgien ab und arbeitete anschließend als praktische Tierärztin in Belgien Mehr lesen

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