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Veterinary Focus

Warnung

Dieser Artikel enthält sensible Fotos, die für kleine Kinder schädlich sein können.

Ausgabe nummer 25.3 Sonstiges Wissenschaft

Thoraxtrauma

veröffentlicht 21/04/2021

Geschrieben von Manuel Jiménez Peláez und Lucía Vicens Zanoguera

Auch verfügbar auf Français , Italiano , Español und English

Patienten mit Thoraxtrauma werden in der Kleintierpraxis regelmäßig vorgestellt und sollten immer als Notfälle behandelt werden. Häufig sind diese Traumata Folgen eines Verkehrsunfalls (11-40 % aller Fälle), und in vielen Fällen weisen betroffene Patienten zusätzlich Frakturen auf (20-60 %).

Diese lateralen Röntgenaufnahmen zeigen eine Schrotkugel aus Blei im Myokard einer Katze.

Kernaussagen

Patienten mit Thoraxtrauma werden in der Kleintierpraxis regelmäßig vorgestellt und sollten immer als Notfälle behandelt werden.


Ein Pneumothorax muss bei jedem Patienten mit Thoraxtrauma in Betracht gezogen werden, bis dieser sicher ausgeschlossen werden kann.


Eine beidseitige Thorakozentese ist bei Patienten mit Pneumothorax sowohl diagnostisch als auch therapeutisch einsetzbar und muss stets vor der Anfertigung von Röntgenaufnahmen durchgeführt werden.


Hämothorax kommt bei Tieren selten vor, Thoraxtraumata können jedoch zu signifikanten Blutverlusten in die Pleurahöhle hinein führen.


In den meisten Fällen erfordert ein Hämothorax infolge eines geschlossenen Traumas keine chirurgischen Maßnahmen und kann konservativ behandelt werden.


Bissverletzungen im Thoraxbereich können sehr problematisch sein. Selbst ohne Hautperforation können einige Bisse massive innere Verletzungen hervorrufen. Eine chirurgische Exploration sämtlicher Bisswunden ist obligatorisch.


Hochgradige Schmerzen aufgrund von Rippenfrakturen und Schädigungen der Lunge tragen zu Hypoventilation bei. Ein gutes Schmerzmanagement ist bei diesen Patienten von entscheidender Bedeutung.


 

Einleitung

Patienten mit Thoraxtrauma werden in der Kleintierpraxis regelmäßig vorgestellt und sollten immer als Notfälle behandelt werden. Häufig sind diese Traumata Folgen eines Verkehrsunfalls (11-40 % aller Fälle) 1, und in vielen Fällen weisen betroffene Patienten zusätzlich Frakturen auf (20-60 %) 2 3. Neben Verkehrsunfällen und anderen stumpfen Traumata, wie z. B. Trittverletzungen, sind Bisse anderer Tiere sowie penetrierende Pfählungsverletzungen, Messerstiche und Schussverletzungen etc. die häufigsten Ursachen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme zeigen viele Patienten mit Thoraxtrauma unter Umständen jedoch keine Symptome und/oder sichtbare Verletzungen. Klinische Symptome können aber auch 24 bis 48 Stunden nach Eintritt des traumatischen Ereignisses auftreten und fortschreiten. 

 

Thoraxtraumata werden als „offen“ (z. B. durch Messer, Bisse, Projektile) (Abbildung 1) oder „geschlossen“ (z. B. nach Sturz, Verkehrsunfall) klassifiziert.

Abbildung 1a. Diese lateralen (a) und ventrodorsalen (b) Röntgenaufnahmen zeigen eine Schrotkugel aus Blei im Myokard einer Katze.
© Manuel Jiménez Peláez

Abbildung 1b. Diese lateralen (a) und ventrodorsalen (b) Röntgenaufnahmen zeigen eine Schrotkugel aus Blei im Myokard einer Katze.
© Manuel Jiménez Peláez

Bei Patienten mit hochgradigen oder multiplen Verletzungen kann es notwendig sein, den Vorbericht zunächst zu verschieben und erst während oder nach der initialen Stabilisierung des Patienten zu erheben. Nichtsdestotrotz kann ein detaillierter Vorbericht viele hilfreiche Informationen liefern. Ein wichtiger Aspekt ist hierbei die Zeitdauer zwischen dem Eintritt des traumatischen Ereignisses und der Vorstellung des Patienten zur Untersuchung. Eine vollständige und ausführliche klinische Untersuchung ist von ganz wesentlicher Bedeutung und sollte insbesondere den Atemtrakt und das Herzkreislaufsystem in den Mittelpunkt stellen. Obligatorisch ist zudem eine detaillierte Untersuchung des gesamten Thorax, einschließlich Adspektion, Palpation, Perkussion und Auskultation. Falls erforderlich, muss der gesamte Bereich geschoren bzw. rasiert werden, insbesondere bei Patienten mit offenen Verletzungen (Abbildung 2). Beurteilt werden darüber hinaus die Schleimhäute, die kapilläre Rückfüllzeit, der arterielle Blutdruck und der mentale Zustand des Patienten. Notiert werden sämtliche abweichenden neurologischen Befunde und jegliche Abweichung der physiologischen Körperhaltung. Die initiale unterstützende Therapie sollte der ABC-Regel aus der Notfallmedizin folgen:

  • A („Airway maintenance“): Atemwege freimachen und offenhalten, Sauerstofftherapie
  • B („Breathing support“): Atmung/Thoraxwand unterstützen 
  • C („Cardiovascular and circulatory support“): Herzkreislaufsystem unterstützen
 
Abbildung 2. Yorkshire Terrier mit multiplen Thoraxverletzungen nach einer Auseinandersetzung mit einem anderen Hund. Der Patient wurde stabilisiert und der Thorax rasiert, um eine Reinigung und Beurteilung der Verletzungen zu ermöglichen. Das unverzügliche und richtige Handeln des Tierarztes führte bei diesem Patienten zu einer vollständigen Erholung. ©Manuel Jiménez Peláez

Hypoxie und Hämorrhagie sind zwei der Haupttodesursachen bei polytraumatisierten Patienten. Wenn ein Patient im Schock vorgestellt wird und keine Anzeichen für eine äußere Blutung vorliegen, sollte stets eine innere Blutung in Betracht gezogen und Abdomen und Thorax einer sorgfältigen Untersuchung unterzogen werden 4

Initiale Maßnahmen und Stabilisierung

Dieser Artikel beleuchtet den traumatischen Pneumothorax und Hämothorax sowie Verletzungen der Brustwand. Bei der initialen Beurteilung eines Patienten mit Thoraxtrauma müssen fünf Kernpunkte berücksichtigt werden:

  1. Sauerstoffsupplementierung: Wichtig ist ein vorsichtiges und schonendes Handeln, um iatrogenen Stress so weit wie möglich zu minimieren. Sauerstoff kann per Maske (nur initial), über eine Kammer oder einen Nasenkatheter zugeführt werden.
  2. Wiederherstellung des intrathorakalen Unterdrucks: Bei einem Tier mit Dyspnoe erfolgt eine beidseitige Thorakozentese zur Entfernung sämtlicher freier Luft oder Flüssigkeit. Im Anschluss werden Thoraxröntgenaufnahmen angefertigt. Liegt eine penetrierende Verletzung vor, wird der gesamte Bereich rasiert, gereinigt und mit einem gepolsterten, nicht-kompressiven, hermetisch abschließenden Verband abgedeckt.
  3. Hämodynamische Stabilisierung: Ein oder zwei intravenöse Katheter werden gelegt, eine Blutprobe zur Analyse wird entnommen und eine Flüssigkeitstherapie wird eingeleitet. Falls erforderlich (z. B. bei hochgradiger Hypotonie), wird Flüssigkeit intraossär verabreicht.
  4. Multimodale Schmerztherapie: Schmerzkontrolle ist sehr wichtig. Opioide sind oft die erste Wahl bei der Aufnahme des Patienten. Eine Dauertropfinfusion mit einer Mischung aus Morphin, Lidocain und Ketamin („MLK“) kann ebenfalls sehr gut wirksam sein.
  5. Breitspektrumantibiotika: Betroffene Patienten sollten Antibiotika wie Cefazolin oder potenziertes Amoxicillin erhalten, bei offenen Traumata vorzugsweise auf intravenösem Weg 5.

Chirurgische Eingriffe sollten in der Regel erst dann durchgeführt werden, wenn der Patient stabil ist (oder so stabil wie möglich). Die häufigsten Indikationen für eine chirurgische Intervention sind 6 7 8 9
  • Sämtliche penetrierenden Verletzungen des Thorax.
  • Ein fortschreitendes Emphysem an Hals und Thorax.
  • Eine Schädigung innerer Organe oder unkontrollierbare Blutungen.
  • Ein fortschreitender Pneumothorax, der mittels Thorakozentese oder Thoraxdrainage nicht unter Kontrolle zu bringen ist.
  • Lungenkontusionen, die sich trotz Behandlung/mechanischer Beatmung verschlechtern.
  • Eine Kommunikation zwischen Pleurahöhle und Peritonealhöhle.

Zum letzten Punkt ist anzumerken, dass Zwerchfellsrupturen in der Regel eher durch abdominale als durch thorakale Traumata entstehen. Zweifellos können Zwerchfellshernien aber signifikante sekundäre thorakale Probleme verursachen, eine Beschreibung ihrer Behandlung würde den Rahmen dieses Artikels jedoch sprengen.

Traumatischer Pneumothorax

Pneumothoraxe werden in „offen“ und „geschlossen“ unterteilt (Abbildung 3) 8 10 11. Bei einem offenen Pneumothorax handelt es sich um eine Verletzung der Brustwand mit Kommunikation zwischen Pleurahöhle und äußerer Umgebung. Ein geschlossener Pneumothorax entsteht, wenn Luft über eine Verletzung der Lunge oder des Mediastinums in die Pleurahöhle gelangt, eine Kommunikation mit der äußeren Umgebung besteht hier nicht. In einigen Fällen kann die Verletzung wie ein Ventil wirken, so dass Luft in die Pleurahöhle eindringen, aber nicht mehr austreten kann – es entsteht ein sogenannter Spannungspneumothorax. In allen diesen Fällen führt die Akkumulation von Luft zu einer Druckerhöhung in der Pleurahöhle, die wiederum eine Begrenzung der Lungenexpansion und des venösen Rückflusses zur Folge hat und damit sowohl das respiratorische als auch das kardiovaskuläre System erheblich beeinträchtigt 6 7. Bei der Vorstellung zur Untersuchung zeigen betroffene Tiere meist ein oberflächliches, restriktives Atmungsmuster und je nach Grad des Pneumothorax eine Dyspnoe.
 
Abbildung 3. Laterale Thoraxröntgenaufnahme einer Katze mit hochgradigem Pneumothorax nach einem Sturz aus großer Höhe. © Manuel Jiménez Peláez

Bei allen Traumapatienten muss ein Pneumothorax in Betracht gezogen werden, bis dieser sicher ausgeschlossen werden kann 6. Eine beidseitige Thorakozentese – in der Regel am besten durchführbar am Patienten in Sternallage – ist sowohl diagnostisch als auch therapeutisch einsetzbar und muss stets vor der Anfertigung von Röntgenaufnahmen durchgeführt werden (Abbildung 4). Besser ein negatives Thorako-zenteseergebnis als ein totes Tier auf dem Röntgentisch!

Abbildung 4. Thorakozentese mit Hilfe einer Butterfly-Kanüle und einem Dreiwegehahn bei einem Hund nach Verkehrsunfall. © Manuel Jiménez Peláez

 

Ein geschlossener Pneumothorax erfordert in der Regel keine chirurgische Intervention. Oft sind diese Fälle selbstlimitierend und können mit Hilfe einer nach Bedarf wiederholten Thorakozentese behandelt werden – Art und Häufigkeit der Behandlung sollten sich dabei an einer regelmäßigen klinischen Beurteilung orientieren 6 7. Persistieren die Symptome trotz wiederholter Thorakozentese (z. B. mehr als 2-3 Mal pro Tag und/oder über mehr als zwei Tage) oder werden übermäßige Flüssigkeitsmengen gewonnen (> 2 ml/kg/Tag), sollte das Einsetzen einer Thoraxdrainage in Betracht gezogen werden.

Besteht bei einem Patienten mit Pneumothorax die Indikation für eine chirurgische Intervention, hängt der chirurgische Zugang in erster Linie von der Lokalisation der Verletzung ab. Bei einseitiger Verletzung ist eine laterale Thorakotomie die beste Lösung. Im Falle beidseitiger Verletzungen oder bei unbekannter Lokalisation empfiehlt sich eine mediane Sternotomie 7. Zu berücksichtigen ist, dass nach geschlossenen Thoraxtraumata häufig auch Lungenkontusionen (Abbildung 5) und mediastinale Blutungen auftreten, mit oder ohne begleitenden Pneumothorax.

 
Abbildung 5. Laterale Thoraxröntgenaufnahme einer Katze mit Pneumothorax und Lungenkontusionen nach einem Sturz. © Manuel Jiménez Peláez

Traumatischer Hämothorax

Hämothorax kommt bei Tieren (im Unterschied zum Menschen) selten vor, Thoraxtraumata können jedoch zu signifikanten Blutverlusten in die Pleurahöhle hinein führen. Das Blut kann dabei aus geschädigtem Lungengewebe stammen oder aus lazerierten großen Lungengefäßen, Interkostalgefäßen oder intrathorakal verlaufenden Arterien. Eine Thorakozentese kann in diesen Fällen sowohl zu diagnostischen als auch zu therapeutischen Zwecken eingesetzt werden. Zur genauen Beurteilung der im Thorax vorhandenen Blutmenge kann aber auch eine Ultraschalluntersuchung sehr hilfreich sein, die anschließend im Rahmen der Verlaufskontrolle je nach Indikation mehrfach wiederholt werden kann. Enthält der Thorax ein beträchtliches Blutvolumen, sollte zusätzlich eine Flüssigkeitstherapie eingeleitet werden (kristalloide Lösungen, kolloidale Lösungen und Blut) 6.

Art und Umfang der Behandlung eines traumatischen Hämothorax richten sich nach mehreren Faktoren wie dem vorhandenen Blutvolumen, der Blutverlustrate in die Pleurahöhle hinein, der Art des Traumas (offen oder geschlossen) und der Stabilität des Patienten. In den meisten Fällen von Hämothorax infolge eines geschlossenen Traumas ist eine chirurgische Intervention nicht erforderlich. Ein geringgradiger Hämothorax mit minimaler Atemnot kann konservativ behandelt werden. Entwickelt der Patient jedoch eine zunehmend angestrengte Atmung, sollte freies Blut aus dem Thorax entfernt werden. Im Falle der Drainage eines Hämothorax ist keine vollständige Entleerung des Thorax erforderlich, es sollte aber in jedem Fall so viel Blut entfernt werden, dass sich der Patient ausreichend stabilisieren kann. Die Aspiration des Blutes aus dem Thorax sollte langsam und unter sorgfältiger Kontrolle des Patienten erfolgen. Abhängig vom Zustand des Patienten und der Blutverlustrate muss die Thorakozentese unter Umständen mehrfach wiederholt werden (Abbildung 6). Bei persistierender Blutung oder hochgradigem Blutverlust in die Pleurahöhle hinein kann zusätzlich zur Flüssigkeitstherapie unter Umständen eine Bluttransfusion erforderlich sein. Die Autotransfusion ist eine schnelle und leicht verfügbare Methode, die Sammlung des Blutes muss jedoch streng aseptisch erfolgen und stets sollten Blutbeutel mit geeignetem Filtersystem verwendet werden. Je nach Indikation muss auch das Einsetzen einer Dauerdrainage in Erwägung gezogen werden. In extremen Fällen (z. B. bei anhaltender Blutung) kann eine explorative Thorakotomie erforderlich sein. In diesen Fällen besteht allerdings ein erhöhtes Mortalitätsrisiko. Generell gilt aber, dass sämtliche penetrierenden Thoraxverletzungen grundsätzlich chirurgisch exploriert werden müssen, unabhängig davon, ob ein Hämothorax vorhanden ist oder nicht.

 
Abbildung 6. Drainage eines traumatischen Hämothorax mit Hilfe eines großlumigen Katheters und eines Dreiwegehahns. ©  Manuel Jiménez Peláez

Thoraxtrauma

Geschlossenes Trauma

Bei geschlossenen Traumata gehen die Meinungen darüber auseinander, in welchen Fällen eine chirurgische Exploration erforderlich ist 5 6. Einige Tierärzte empfehlen eine chirurgische Exploration in allen Fällen mit frakturierten Rippen oder eines instabilen Thorax („flail chest“), bei Lungenkontusionen oder bei einem Pneumothorax, unklar ist jedoch der optimale Zeitpunkt für den chirurgischen Eingriff bei diesen potenziell instabilen Patienten 12 13. Die Autoren bevorzugen bei den meisten Verletzungen infolge geschlossener Traumata eine konservative Behandlung und erzielen mit dieser Strategie im Allgemeinen gute Ergebnisse.

Eine Ausnahme sind Thoraxtraumata infolge von Bissverletzungen. In einigen Fällen werden Bisse im Thoraxbereich fälschlicherweise als „geschlossene“ Traumata eingeschätzt, da äußerlich unter Umständen nur minimale oder gar keine Perforationen der Haut zu erkennen sind. Aber auch ohne eindeutig sichtbare Zusammenhangstrennung der Haut sollte in diesen Fällen immer eine chirurgische Exploration erfolgen, da Bisse häufig hochgradige Schädigungen des unter der Haut liegenden Gewebes hervorrufen, einschließlich Interkostalmuskeln, Rippen, intrathorakale Blutgefäße und innere Organe (Abbildung 7).

Abbildung 7a. Dackel mit Bissverletzungen am Thorax. Die Röntgenaufnahme (a) zeigt signifikante Läsionen (Pneumothorax, Rippenfrakturen, Unterhautemphysem, Lungenkontusion) trotz minimaler Hautverletzungen (b). Beim chirurgischen Eingriff (c) zeigten sich hochgradige innere Verletzungen mit Zerreißung der interkostalen Muskulatur und Perforation des Perikards (d).
© Manuel Jiménez Peláez
 Abbildung 7b. Dackel mit Bissverletzungen am Thorax. Die Röntgenaufnahme (a) zeigt signifikante Läsionen (Pneumothorax, Rippenfrakturen, Unterhautemphysem, Lungenkontusion) trotz minimaler Hautverletzungen (b). Beim chirurgischen Eingriff (c) zeigten sich hochgradige innere Verletzungen mit Zerreißung der interkostalen Muskulatur und Perforation des Perikards (d). 
© Manuel Jiménez Peláez
Abbildung 7c. Dackel mit Bissverletzungen am Thorax. Die Röntgenaufnahme (a) zeigt signifikante Läsionen (Pneumothorax, Rippenfrakturen, Unterhautemphysem, Lungenkontusion) trotz minimaler Hautverletzungen (b). Beim chirurgischen Eingriff (c) zeigten sich hochgradige innere Verletzungen mit Zerreißung der interkostalen Muskulatur und Perforation des Perikards (d).
© Manuel Jiménez Peláez

Abbildung 7d. Dackel mit Bissverletzungen am Thorax. Die Röntgenaufnahme (a) zeigt signifikante Läsionen (Pneumothorax, Rippenfrakturen, Unterhautemphysem, Lungenkontusion) trotz minimaler Hautverletzungen (b). Beim chirurgischen Eingriff (c) zeigten sich hochgradige innere Verletzungen mit Zerreißung der interkostalen Muskulatur und Perforation des Perikards (d).
© Manuel Jiménez Peláez

 

Penetrierende Wunden und offene Traumata

Jede penetrierende Thoraxverletzung stellt einen chirurgischen Notfall dar. Betroffene Patienten müssen so schnell wie möglich in einen geeigneten Operationsraum verbracht werden. Parallel zur initialen Stabilisierung (Sauerstoff, Analgetika, Flüssigkeit etc.) werden die Wunden rasiert, gespült und luftdicht abgedeckt, und der Pneumothorax wird mit Hilfe einer Thorakozentese oder Thoraxdrainage behandelt 7 14. Insbesondere nach Bissverletzungen wird der tatsächliche Grad der Verletzungen bei der initialen Untersuchung und selbst in Röntgenaufnahmen in der Regel unterschätzt 12 15; Das volle Ausmaß der Verletzungen wird oft erst bei der chirurgischen Exploration sichtbar (Abbildung 8).
 

 

Abbildung 8a. Dieser Hund wurde mit einer Pfählungsverletzung im Axillarbereich vorgestellt (a). Die Folgen des Pfählungstraumas waren eine Penetration des Thorax und eine Perforation eines Lungenlappens, der reseziert werden musste (b).
© Manuel Jiménez Peláez

Abbildung 8b. Dieser Hund wurde mit einer Pfählungsverletzung im Axillarbereich vorgestellt (a). Die Folgen des Pfählungstraumas waren eine Penetration des Thorax und eine Perforation eines Lungenlappens, der reseziert werden musste (b).
© Manuel Jiménez Peláez

Bei Bisswunden muss immer ein sorgfältiges Debridement sämtlichen abnormen und geschädigten Knochen- und Weichteilgewebes erfolgen, und im Anschluss muss der gesamte Bereich ausgiebig mit reichlich physiologischer Kochsalzlösung gespült werden 7. Der Wundverschluss erfolgt mit absorbierbarem monofilem Nahtmaterial, und je nach Indikation werden thorakale und subkutane Drainagen gelegt 5 15.

Ein Wundverschluss muss immer mit gesundem, gut vaskularisiertem Gewebe erfolgen, falls erforderlich unter Einbeziehung von Muskelgewebe und Omentum. In seltenen Fällen können sehr ausgedehnte Wunden eine Wiederherstellung mit Hilfe synthetischer Implantate erfordern. Aufgrund der Infektionsgefahr sind solche Implantate bei Traumata infolge von Bissverletzungen jedoch kontraindiziert.

Wenn die Thoraxwand rekonstruiert werden muss, hängen die chirurgischen Optionen in erster Linie von der genauen anatomischen Lokalisation der Verletzung ab. Eine hilfreiche Möglichkeit ist die Technik des „Diaphragmatic Advancement“, bei der gesundes lokales Gewebe, wie z. B. der M. obliquus externus abdominis und/oder der M. latissimus dorsi und das Omentum (Abbildung 9), in den Wundbereich transponiert werden. Bei unverletztem Lungenparenchym ist gegenwärtig nicht klar, ob eine absolute Rigidität der Thoraxwand entscheidend ist. Falls erforderlich, kann eine Hautrekonstruktion mit einem einfachen Verschiebelappen („advancement flap“), einem Rotationslappen (unter Verwendung des tiefen [subdermalen] Plexus) und/oder einem axial durchbluteten Lappen („axial pattern flap“) (z. B. unter Verwendung der A. epigastrica superficialis cranialis) erfolgen 7

 
Abbildung 9a. Wiederherstellung der Thoraxwand nach einem Hundebiss mit Hilfe eines Flaps des M. latissimus dorsi. Abbildung 9a zeigt den Thoraxwanddefekt nach Resektion sämtlichen nekrotischen und devitalisierten Gewebes. 
© Manuel Jiménez Peláez

Abbildung 9b. Wiederherstellung der Thoraxwand nach einem Hundebiss mit Hilfe eines Flaps des M. latissimus dorsi. Abbildung 9b zeigt den mit Hilfe des Flaps vollständig verschlossenen Thoraxwanddefekt.
© Manuel Jiménez Peláez

Eine gute Anästhesie ist in diesen Fällen von herausragender Bedeutung. Die Infiltration des Areals mit einem Lokalanästhetikum (oder ein Feldblock um die interkostalen Muskeln) kann für eine bessere Schmerzkontrolle und damit eine Verbesserung der Atmung und Ventilation sorgen.

Nach Abschluss des chirurgischen Eingriffes muss immer überprüft werden, ob der Thorax eine Luftleckage aufweist. Hierfür wird der Wundbereich mit physiologischer Kochsalzlösung gefüllt und die Lungen sanft inflatiert 5 15. Falls erforderlich, ermöglicht eine Thorakotomiesonde die Wiederherstellung des pleuralen Unterdrucks und darüber hinaus die Aspiration intrapleuraler Flüssigkeit, die in jedem Fall zytologisch untersucht werden sollte. Weitere Verletzungen (z. B. Gliedmaßenfrakturen) müssen im Rahmen einer zweiten chirurgischen Intervention nach erfolgreicher Stabilisierung des Patienten durchgeführt werden.

Rippenfrakturen

Rippenfrakturen sind extrem schmerzhaft und können deshalb zu Hypoventilation führen. Diese kann zusätzlich verstärkt werden, wenn frakturierte Rippen Verletzungen der Lunge hervorrufen 16 17 18. Einfache Rippenfrakturen infolge eines geschlossenen Traumas können im Allgemeinen jedoch konservativ mit einer Schmerztherapie behandelt werden. Multiple Rippenfrakturen können zu einer Instabilität des Thorax („flail chest“) führen. Ein entsprechender Verdacht besteht, wenn bei der klinischen Untersuchung ein paradoxes Atmungsmuster festzustellen ist. Voraussetzung für die Entstehung einer Instabilität des Thorax ist, dass mindestens zwei benachbarte Rippen an zwei Stellen (ventral und dorsal) frakturiert sind. Die paradoxen Atmungsbewegungen entstehen als Folge der Veränderung des intrapleuralen Drucks, so dass sich der verletzte Abschnitt während der Inspiration nach innen bewegt und bei der Exspiration nach außen. Die Kombination von abnormem Luftstrom, zugrunde liegendem Lungentrauma und Schmerzen stellt eine Prädisposition für Hypoxämie und Hypoventilation dar. Eine Stabilisierung der frakturierten Rippen wird selten durchgeführt, kann aber in Kombination mit einer Schmerztherapie, insbesondere bei polytraumatisierten Patienten, zu einer Verbesserung der Ventilation beitragen. Eine vollständige Wiederherstellung der Lungenfunktion erfordert in diesen Fällen jedoch eine weitergehende Behandlung sämtlicher darüber hinaus noch vorhandener pathologischer Veränderungen.

Lungenkontusionen können fortschreitender Natur sein. In hochgradigen Fällen kann eine mechanische Beatmung über 24-48 Stunden in Verbindung mit einer unterstützenden medikamentösen Therapie von Vorteil sein, bis eine endgültige Behandlung vorgenommen werden kann. Im Falle einer ausgedehnten Schädigung kann ein instabiler Thorax mit Hilfe perkutaner zirkumkostaler Nähte und einer externen Schiene immobilisiert werden, obwohl dies in der Praxis nur selten erforderlich ist. Eine alternative Möglichkeit zur Stabilisierung einer frakturierten Rippe ist die Fixierung mittels Naht an einer benachbarten Rippe. Bei hochgradigen Rippenverletzungen oder Rippenverletzungen durch Bisse ist in der Regel eine Resektion zu bevorzugen (Abbildung 10). Hinsichtlich der Prognose gibt es Studien zufolge keinen Unterschied, ob ein instabiler Thorax chirurgisch stabilisiert oder medikamentös behandelt wird 13, Bei Instabilität des Thorax infolge eines geschlossenen Traumas ist in der Mehrzahl der Fälle keine chirurgische Intervention zur Stabilisierung und Reparatur erforderlich. Aber auch an dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass bei allen penetrierenden Verletzungen der Thoraxwand und bei sämtlichen Bissverletzungen des Thorax immer eine chirurgische Exploration durchgeführt werden muss, und zwar auch dann, wenn keine sichtbaren Zusammenhangstrennungen der Haut erkennbar sind 8 9 10.

 
 
Abbildung 10. Resektion frakturierter Rippen nach einem Biss. Zu beachten ist die ausgedehnte Gewebekontusion an der Bissstelle. © Manuel Jiménez Peláez

 

Postoperative Überwachung und Therapie

Nach jedem chirurgischen Eingriff an der Brustwand müssen respiratorische und kardiovaskuläre Parameter postoperativ überwacht werden. Diese Kontrolle umfasst die Beurteilung der Schleimhautfarbe und der kapillären Rückfüllzeit sowie die Messung des arteriellen Blutdrucks und der Sauerstoffsättigung. Die wichtigsten potenziellen Komplikationen sind Hypothermie, Hypotonie und Hypoventilation. Eine Sauerstofftherapie kann hilfreich sein, da die Erholung des Patienten durch Schmerzen, residuale freie Luft oder Flüssigkeit im Thorax, Verbände oder sekundäre Erkrankungen der Lungen verzögert sein kann. Die intensiven Schmerzen im Zusammenhang mit Rippenfrakturen tragen in Kombination mit etwaigen Lungenschäden zur Hypoventilation bei 16 17 18 Von zentraler Bedeutung ist daher ein wirksames Schmerzmanagement bei diesen Patienten. Eine optimale Analgesie kann über die systemische Verabreichung entsprechender Arzneimittel (per Bolus oder als Dauerinfusion, falls erforderlich) erreicht werden, geeignet sind aber auch transdermale Pflaster und/oder eine lokale Analgesie mittels interkostaler und intrapleuraler Infiltration über die thorakale Sonde. Insbesondere bei Patienten mit Hypoventilation ist im Rahmen der Nachsorge in vielen Fällen auch eine wiederholte Blutgasanalyse hilfreich. Falls erforderlich, kann zudem eine Drainage gelegt werden, um residuale freie Luft oder Flüssigkeit aus dem Thorax zu entfernen. Freie Flüssigkeit in der Pleurahöhle erfordert stets eine sorgfältige Überwachung des Patienten in der postoperativen Phase. Regelmäßig sollte die aus dem Thorax gewonnene Flüssigkeit auf bakterielles Wachstum und Zellularität überwacht werden, und ganz entscheidend ist die Bestimmung des Flüssigkeitsvolumens und etwaiger Tendenzen (d. h., täglich wird überprüft, ob die Flüssigkeitsmenge zu- oder abnimmt). Im Idealfall sollten weniger als 2 ml/kg/Tag gewonnen werden, obgleich es sich bei dieser Zahl nicht um einen obligatorischen Grenzwert handelt.

Schlussfolgerung

Tiere mit Thoraxtrauma sind oft polytraumatisiert. Entscheidend ist daher, dass der Notfalltierarzt in der Lage ist, solche Patienten bei der Aufnahme unverzüglich und präzise zu beurteilen und die richtigen Prioritäten zu setzen. Eine schnelle Diagnose und die unverzügliche Einleitung der im Einzelfall geeigneten Behandlung (z. B. eine sofortige Thorakozentese) können in vielen Fällen den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Der Tierarzt muss in der Lage sein, in diesen Situationen schnell und richtig zu reagieren. Zu berücksichtigen ist dabei insbesondere, dass sich die initiale thorakale Situation innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden nach Eintritt des Traumas verschlechtern kann. Ganz entscheidend sind daher eine sorgfältige Überwachung und eine regelmäßige Beurteilung dieser Patienten in der posttraumatischen Phase.

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