Zytologie von Rundzelltumoren bei Hunden
veröffentlicht 04/10/2024
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Das grundlegende Verständnis der zytologischen Merkmale caniner Rundzelltumoren ist die Voraussetzung für eine genaue Diagnose und Prognose und für die Entwicklung wirksamer therapeutischer Strategien.
Kernaussagen
Canine Rundzelltumoren umfassen eine Reihe verschiedener Neoplasien, die jeweils ihre eigenen zytologischen Merkmale und Prognosen aufweisen.
Das canine Lymphom manifestiert sich in verschiedenen Formen, wobei die Überlebenszeiten und die Wirksamkeit der Behandlung je nach Tumorart erheblich variieren.
Mastzelltumoren sind der häufigste Hauttumortyp bei Hunden – Prognose und Behandlung hängen vom Grad und der Lokalisation des Tumors ab.
Andere Tumorarten können ähnliche zytologische Merkmale wie Rundzelltumoren aufweisen; im Zweifelsfall sollten die zytologischen Präparate einem klinischen Pathologen vorgelegt werden.
Einführung
Unter dem Oberbegriff Rundzelltumoren werden verschiedene Neoplasien zusammengefasst, die in der Veterinärmedizin häufig vorkommen, insbesondere bei Hunden. Zu dieser Kategorie gehören transmissible venerische Tumoren (TVT), Lymphome, Mastzelltumoren, Plasmazelltumoren und Histiozytome. Unter dem Mikroskop sind diese Tumoren durch ein rundes Erscheinungsbild der Zellen gekennzeichnet, jede Tumorart hat aber ihr eigenes spezifisches zytologisches Erscheinungsbild und spezifische klinische Merkmale. Dieser Artikel bietet einen kurzen Leitfaden für praktische Tierärzt*innen in erstbehandelnden Praxen und Kliniken. Erläutert wird, worauf bei den ersten Untersuchungen zu achten ist und welche Merkmale irreführend sein können und möglicherweise zu einer falschen Diagnose führen.
Transmissibler venerischer Tumor (TVT)
Beim TVT handelt es sich um eine einzigartige Form einer übertragbaren, kontagiösen Neoplasie, die bei Hunden vorkommt und durch direkten Kontakt, in der Regel bei der Paarung, übertragen wird. Vorwiegend betroffen sind die äußeren Genitalien, der Tumor kann aber auch an extragenitalen Lokalisationen auftreten. TVT-Zellen zeichnen sich durch ihre zytoplasmatischen Vakuolen aus, die als einzelne, punktförmige Strukturen zu erkennen sind und häufig als „Perlenschnur“ angeordnet sind (Abbildung 1).
Lymphom
Lymphome treten bei Hunden häufig auf, und eine vorläufige Diagnose kann in der Regel bereits im Rahmen der klinischen Untersuchung gestellt werden (Abbildung 2). In jedem Fall ist es jedoch ratsam, eine endgültige Identifizierung des Tumors vorzunehmen, da diese bei der Beratung der Besitzer*innen hilfreich ist, insbesondere hinsichtlich Therapie und Prognose. In zytologischen Befundberichten wird das diagnostizierte Lymphom häufig als „mittelzelliges Lymphom“, „mittel- bis großzelliges Lymphom“ oder „großzelliges Lymphom“ beschrieben. Diese Bezeichnungen können jedoch zu der missverständlichen Annahme führen, dass es sich beim „großzelligen Lymphom“ um einen eigenständigen Krankheitstyp handelt, tatsächlich gibt es auf der Grundlage der WHO-Klassifikation aber mehr als 30 Lymphom-Typen 1. Viele dieser Tumoren könnten zytologisch tatsächlich als „großzelliges Lymphom“ diagnostiziert werden, das Erscheinungsbild und der genaue Immunphänotyp können aber sehr unterschiedlich sein, von indolenten (niedrig malignen) bis zu aggressiven (hoch malignen) Formen, und dementsprechend variiert auch die Prognose. Im vorliegenden Artikel konzentrieren wir uns auf einige Lymphome mit eindeutigen zytologischen Merkmalen, die bei der zytologischen Untersuchung ohne zusätzliche Tests erkannt werden können. Das Verständnis dieser Merkmale kann nämlich eine grobe Vorstellung von der möglichen Diagnose und Prognose vermitteln. Die vollständige Klassifizierung und die endgültige Diagnose caniner Lymphome können jedoch nur mit Hilfe des kombinierten Einsatzes von Zytologie, Histopathologie, Immunhistochemie und fortschrittlicher molekularer Tests (z. B. Durchflusszytometrie) erreicht werden.
- Das großzellige oder mittel- bis großzellige Lymphom: Diese Lymphomart umfasst in erster Linie mittelgroße bis große Lymphozyten (mehr als das 2-3fache der Größe von roten Blutkörperchen). Es handelt sich um die in zytologischen Befundberichten am häufigsten vorkommende Lymphom-Diagnose. Typischerweise haben große neoplastische Lymphozyten eine hohe Kern-Plasma-Relation (N:C-Ratio; Nuclear-to-Cytoplasmic Ratio) und enthalten nur geringe bis spärliche Mengen basophilen Zytoplasmas (Abbildung 3). Auf der Grundlage des klinischen Bildes und des Immunphänotyps unterscheidet man bei diesem Lymphom zwei Formen, das „diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (Diffuse Large B Cell Lymphoma; DLBCL)“ und das „periphere T-Zell-Lymphom ohne weitere Spezifizierung (Peripheral T Cell Lymphoma Not Otherwise specified; PTCL-NOS)“.
- Diffuses großzelliges B-Zell-Lymphom (DLBCL): Das DLBCL ist das bei Hunden am häufigsten vorkommende Lymphom und betrifft in der Regel Tiere mittleren bis höheren Alters, wobei das mediane Alter bei Erkrankungsbeginn mit 7-9 Jahren angegeben wird. Bestimmte Rassen wie Golden Retriever, Labrador Retriever, Berner Sennenhund und Deutscher Schäferhund haben ein höheres Erkrankungsrisiko. Hunde mit Lymphomen werden in der Regel mit einer generalisierten Lymphadenopathie zur Untersuchung vorgestellt. Die mediane Überlebenszeit beträgt etwa 300-500 Tage 2.
- Peripheres T-Zell-Lymphom (PTCL-NOS): Das PTCL-NOS macht etwa 15 % aller Lymphomfälle bei Hunden aus. Dieser Typ tritt tendenziell vermehrt bei Boxern mittleren Alters auf und ist bei Rüden etwas häufiger zu finden. Die Erkrankung bezieht oftmals die mediastinalen Lymphknoten ein und kann mit einer Hyperkalzämie einhergehen. Leider führt das PTCL-NOS zu einer schlechten Prognose mit einer medianen Überlebenszeit von nur etwa 158 Tagen 2.
Angesichts der zytologischen Ähnlichkeit und der prognostischen Unterschiede zwischen DLBCL und PTCL-NOS wird für die Bestätigung der präzisen Diagnose dringend eine Durchflusszytometrie oder eine histopathologische Untersuchung mit Immunhistochemie empfohlen.
- T-Zonen-Lymphom (TZL): Das TZL ist ein klein- bis mittelzelliges Lymphom mit einer im Vergleich zu anderen Lymphomtypen besseren Prognose. Zytologisch zeigt das TZL häufig ein „Handspiegel“- oder „Kaulquappen“-artiges Erscheinungsbild (Abbildung 4). Für die endgültige Diagnose ist jedoch eine Durchflusszytometrie erforderlich, da TZL-Zellen in der Regel positiv für CD3, CD5, CD21 und MHC-II-Zellmarker sind 3. Diese Lymphomart befällt häufig das Blut und führt somit zu einer Lymphozytose. Häufig betroffenen Rassen sind Golden Retriever, Malteser und Shih Tzu. Die indolente Natur des TZL bringt eine bessere mediane Überlebenszeit von bis zu 637-760 Tage mit sich 3.
- Lymphom mit großen granulären Lymphozyten (LGL; Large Granular Lymphocyte): Das LGL ist gekennzeichnet durch zytotoxische T-Zellen oder natürliche Killerzellen (NK). Häufig weisen diese Zellen rosa- bis magentafarbene zytoplasmatische Granula auf, die verschiedene Enzyme wie Perforin und Granzyme enthalten. Bei Hunden tritt diese Lymphomart vor allem in der Leber und der Milz auf, sie kann aber auch im Gastrointestinaltrakt oder als disseminierte Erkrankung vorkommen. Die Diagnose wird in der Regel auf dem Wege einer zytologischen Untersuchung bestätigt, da die Histopathologie zytoplasmatische Granula nicht gut darstellt und in den meisten Fällen auf ein Low-Grade-Lymphom hindeutet. Die aggressive Natur dieser Erkrankung spiegelt sich in einer medianen Überlebenszeit von lediglich 28 Tagen wider, auch wenn etwa 75 % der erkrankten Hunde anfänglich auf eine Chemotherapie ansprechen können. Als positiver prognostischer Faktor gilt der Nachweis von Lymphozyten mittlerer Größe (anstelle von großzelligen Lymphozyten) bei der zytologischen Untersuchung, der bei einigen Patienten mit einer medianen Überlebenszeit von mehr als 100 Tagen korreliert 4.
- Marginalzonen-Lymphom (MZL): Das MZL wird am besten mit Hilfe der Histopathologie diagnostiziert, obwohl das zytologische Merkmal eines einzelnen prominenten Nukleolus ein Hinweis auf diesen Lymphomtyp sein kann. Die Prognose kann je nach betroffenem Organ unterschiedlich sein. Ist die Milz betroffen, kann nach Splenektomie als Monotherapie eine gute Langzeitprognose bestehen, während sich ein MZL bei einem Befall von Lymphknoten genauso aggressiv verhalten kann wie ein DLBCL 2.
Mastzellentumor (MCT)
Der Mastzelltumor ist der häufigste Hauttumor bei Hunden und macht 16,8 % aller kutanen Neoplasien bei dieser Spezies aus 5. Das mittlere Alter bei Auftreten von Mastzelltumoren liegt bei etwa neun Jahren. Mastzellentumoren können bei allen Hunderassen auftreten, Boxer, Mops, Labrador Retriever, Golden Retriever und Weimaraner sind jedoch prädisponiert. Häufig treten die Tumoren solitär auf, sie können aber auch multipler Natur sein und finden sich typischerweise am Stamm (50 %), an den Gliedmaßen (40 %) sowie an Kopf und Hals (10 %). Das klinisch- dermatologische Erscheinungsbild kann von erythematösen alopezischen Zubildungen oder Plaques bis zu erhabenen Knötchen reichen (Abbildung 5) 5.
Zytologische Merkmale
Zytologisch sind Mastzelltumoren gekennzeichnet durch zentral lokalisierte, runde Zellkerne mit violetten intrazellulären Granula, die in Größe und Anzahl variieren. Zu beachten ist, dass diese Granula bei Verwendung einer wässrigen Romanowsky-Färbung in der Praxis (z. B. Diff-QuickTM-Färbung) möglicherweise nicht sichtbar werden (Abbildung 6). Weitere häufig mit MCTs assoziierte Komponenten sind Kollagenfasern, eosinophile Granulozyten und Fibroblasten.
Zytologische Klassifizierung
Die zytologische Klassifizierung, also das sogenannte Tumorgrading beurteilt, wie „normal“ oder „abnorm“ Tumorzellen unter dem Mikroskop aussehen, und ist ein entscheidender Aspekt bei der Diagnose von Mastzelltumoren. Im Allgemeinen gilt, je abnormer die Zellen erscheinen, desto aggressiver ist der Tumor und desto schneller wird er wahrscheinlich wachsen und streuen. Das zytologische Grading kutaner Mastzelltumoren beim Hund erfolgt durch eine Untersuchung auf verschiedene für neoplastische Zellen spezifische Kriterien und morphologische Merkmale wie Karyomegalie, Multinukleation, Kernpleomorphie und mitotische Figuren. Ein kürzlich erschienener Artikel beschreibt das Grading von Mastzelltumoren auf dem Wege der zytologischen Beurteilung der Granulation zusammen mit einer Reihe von weiteren Kriterien 6. Eine schwache Granulation bei der zytologischen Beurteilung weist dabei im Wesentlichen auf einen High-Grade-Tumor hin. Wenn die Zellen gut granuliert sind, aber mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllen, würde dies jedoch ebenfalls auf einen High-Grade-Mastzelltumor hinweisen (Kasten 1):
- Vorhandensein von mitotischen Figuren
- Kernpleomorphie (Variation der Kerngröße und -form)
- Binukleation oder multinukleäre Zellen
- Anisokaryose, d. h. eine signifikante (> 50 %) Variation der Kerngröße
In einer jüngsten Studie werden neue Kriterien für das zytologische Grading vorgeschlagen 7. Laut dieser Studie können bei der Untersuchung von Objektträgern mit Romanowsky-Färbung zusätzliche Faktoren für die Klassifikation einbezogen werden, wie zum Beispiel Fibroblasten und Kollagenfibrillen. Eine moderate bis hohe Konzentration dieser Elemente lässt auf einen eher benignen Charakter schließen, einhergehend mit einer längeren Überlebenszeit und einem niedrigeren histopathologischen Grad.
Das zytologische Tumorgrading beurteilt, wie normal oder abnorm Tumorzellen unter dem Mikroskop aussehen, und ist ein entscheidender Aspekt bei der Diagnose von Mastzelltumoren. Allgemein gilt, je abnormer die Zellen erscheinen, desto aggressiver ist der Tumor und desto schneller wird er wahrscheinlich wachsen und streuen.
Candice P. Chu
Plasmazelltumor
Die auch als Plasmozytome bezeichneten Plasmazelltumoren gelten bei Hunden als benigne Neoplasien. Im zytologischen Befund können diese Tumoren bei höherer Heterogenität als „hässlich“ erscheinen. Diese Tumoren treten häufig bei Hunden mittleren bis höheren Alters auf, und betreffen oft die Gliedmaßen und Bereiche des Kopfes wie die Lippen und die Ohrränder. Zytologisch zeigen sie eine charakteristische perinukleäre Aufhellung, die sogenannte Golgi-Zone, und können eine Bi- oder Multinukleation aufweisen. Ihre Zellkerne weisen oft verklumptes Chromatin auf, das als „Radspeichenstruktur“ erscheinen kann. Gelegentlich können Plasmazellen einen rosafarbenen Zytoplasmasaum aufweisen, und werden dann als „Flammenzellen“ bezeichnet (Abbildung 7).
Histiozytom
Histiozytome sind gutartige Hauttumoren, die am häufigsten bei jüngeren Hunden im Alter von unter zwei Jahren gefunden werden. Sie treten als solitäre, derbe, kuppelförmige Zubildungen auf, die sich vorwiegend am Kopf und an den Gliedmaßen bilden und oft ulzeriert sind. Unter dem Mikroskop zeigen die Tumorzellen ein „Spiegelei“-artiges-Erscheinungsbild, mit blassblauem bis farblosem Zytoplasma und wenigen mitotischen Figuren (Abbildung 8). Histiozytome bilden sich oft spontan ohne Behandlung zurück.
Schlussfolgerung
Canine Rundzelltumore umfassen eine Reihe verschiedener neoplastischer Erkrankungen, die in der tierärztlichen Praxis relativ häufig vorkommen. Jeder Tumortyp weist einzigartige Merkmale auf, die spezifische Diagnose- und Behandlungsansätze erfordern. Das grundlegende Verständnis der zytologischen Merkmale caniner Rundzelltumoren ist die Voraussetzung für eine genaue Diagnose und Prognose und für die Entwicklung wirksamer therapeutischer Strategien.
Literatur
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Valli VE, San Myint M, Barthel A, et al. Classification of canine malignant lymphomas according to the World Health Organization criteria. Vet. Pathol. 2011;48:198-211.
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Yale AD, Crawford AL, Gramer I, et al. Large granular lymphocyte lymphoma in 65 dogs (2005-2023). Vet. Comp. Oncol. 2023 (pub on line https://doi.org/10.1111/vco.12959)
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London CA, Thamm DH. Mast cell tumor. In: Vali DM, Thamm DH, Liptak JM (eds.) Withrow and MacEwen’s Small Animal Clinical Oncology E-Book; Elsevier Health Sciences; 2019;335-355.
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Camus M, Priest H, Koehler J, et al. Cytologic criteria for mast cell tumor grading in dogs with evaluation of clinical outcome. Vet. Pathol. 2016;53:1117-1123.
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Paes PR, Horta RS, Luza LC, et al. Inclusion of fibroblasts and collagen fibrils in the cytologic grading of canine cutaneous mast cell tumors. Vet. Clin. Pathol. 2022;51:339-348.
Candice P. Chu
Dr. Chu ist Board-zertifizierte klinische Veterinärpathologin und Inhaberin einer Tenure-Track-Professur an der Texas A&M University Mehr lesen