Praxisketten - Korporatisierung in der Tiermedizin
Die explosionsartige Steigerung der Korporatisierung im Bereich tierärztlicher Praxen über die vergangenen 20 Jahre kann man nur als phänomenal bezeichnen...
Ausgabe nummer 30.3 Sonstiges Wissenschaft
veröffentlicht 10/12/2020
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Diensthunde erfüllen einzigartige Aufgaben in unserer heutigen Gesellschaft, und Tierärzte spielen eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung und Erhaltung der optimalen Gesundheit dieser Tiere, wie uns Tara Edwards erläutert.
Diensthunde haben ein hohes Risiko für orthopädische Erkrankungen und muskuloskelettale Verletzungen, hauptsächlich aufgrund von Rasseprädispositionen und der Art ihrer Einsätze.
Ein Konditionierungsprogramm kann bei der Verbesserung der körperlichen Fitness eine wertvolle Rolle spielen, in dem es die Leistungsfähigkeit steigert und das Risiko zukünftiger Verletzungen reduziert.
Während der Erholungsphase nach einer Verletzung ist ein Rehabilitationsprogramm wichtig, um sicherzustellen, dass die Gewebe in der Lage sind, zukünftige Arbeitsbelastungen zu bewältigen und um das Risiko einer erneuten Verletzung zu reduzieren.
Regelmäßige Beurteilungen sowohl durch Tierärzte als auch durch die Hundeführer unterstützen das frühzeitige Erkennen von Anomalien oder Verletzungen und ermöglichen in vielen Fällen eine erfolgreich Behandlung.
Im Jahr 2016 verabschiedeten wir den letzten Diensthund, der an den Rettungseinsätzen am Ground Zero nach den Anschlägen vom 11. September 2001 teilgenommen hatte. In Zeiten wie diesen werden wir wieder daran erinnert, wie sehr wir auf diese „Hundehelden“ angewiesen sind, die uns treu dienen und schützen. Arbeits- und Diensthunde werden heute vielfach eingesetzt bei Such- und Rettungseinsätzen, bei der Polizei, im Rahmen militärischer Einsätze und in zahlreichen anderen sicherheitsrelevanten Bereichen. In Nordamerika werden diese Hunde unter anderem eingesetzt vom FBI, im Zoll- und Grenzschutz, bei der Transport Security Administration, den Kanadischen Streitkräften und im Verteidigungsministerium. Die Job-Beschreibung dieser Hunde variiert ganz erheblich, und kann vielfältige Tätigkeiten umfassen wie Streifendienst, Spur- und Fährtenarbeit, Spürarbeit (Sprengstoff, Feuerwaffen, Munition, Drogen und Leichen), Schutzhundearbeit, aber auch die Suche und Rettung vermisster Personen bei Katastropheneinsätzen (Abbildung 1). Diensthunde sind unschätzbar wertvolle Mitglieder in einem größeren Team und spielen eine herausragend wichtige Rolle für den Schutz von Menschen und bei der Förderung ihrer Sicherheit. In Anbetracht ihrer täglichen Pflichten und ihrer potenziellen Einsätze in Hochrisikoszenarien sind die wichtigsten Aufgaben der präventiven Tiermedizin das Vermeiden von Verletzungen und die Förderung einer möglichst langen beruflichen Laufbahn dieser Hunde.
Abhängig von ihrer Nutzung und ihren Aufgaben haben Diensthunde zahlreiche unterschiedliche Körperformen und Körpergrößen, wobei bestimmte Rassen aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen für bestimmte Aufgaben besser geeignet sind als andere. Zu den am häufigsten als Diensthunde genutzten Rassen gehören der Deutsche Schäferhund, der belgische Malinois (Abbildung 2), der Labrador, der Rottweiler und der Beagle. Erbliche orthopädische Erkrankungen, wie zum Beispiel die Ellbogendysplasie, die Hüftgelenksdysplasie, die Degeneration der Zwischenwirbelscheiben, Patellaluxationen und Erkrankungen des vorderen Kreuzbandes, können insbesondere bei diesen Rassen auftreten 1. Eine Studie untersuchte die Prävalenz muskuloskelettaler Erkrankungen bei Dienst- und Arbeitshunden und fand heraus, dass erschreckende 41 % der erfassten Hunde eine signifikante zugrundeliegende orthopädische Erkrankung aufwiesen 2.
Darüber hinaus gibt es aber noch zahlreiche weitere Gefahren. Hunde, die in Katastrophengebieten eingesetzt werden, erleiden oft Krankheiten wie Dehydratation und gastrointestinale Störungen; und Such- und Rettungshunde ziehen sich aufgrund ihrer gefährlichen Arbeitsumgebung oft oberflächliche Verletzungen zu (z. B. Wunden, Abschürfungen und Verletzungen der Pfoten, der Pfotenballen und der Krallen) 3 4 (Abbildung 3). Insbesondere Militär- und Polizeihunde sind aufgrund der Anforderungen ihres Jobs oft hohem emotionalem Stress ausgesetzt und erleiden nicht selten potenziell schwerwiegende Traumata oder durch Waffen verursachte Verletzungen.
Menschen, die mit Diensthunden arbeiten, müssen nicht nur in der Lage sein, eine initiale Notfallbehandlung durchzuführen, sondern auch mit zahlreichen und vielfältigen weiteren Problemen umgehen können. Neben orthopädischen Erkrankungen ist das muskuloskelettale System an bis zu 14 % aller nicht im Einsatz erlittener Verletzungen bei Diensthunden beteiligt 5. Solche Verletzungen können die Leistungsfähigkeit eines Hundes beeinträchtigen und einen Einfluss auf die Länge seiner Karriere als Diensthund haben. So fanden zum Beispiel retrospektive Umfragen unter Agility-Hundeführern heraus, dass etwa 30 % aller an Wettbewerben teilnehmenden Hunde mindestens eine sportassoziierte Verletzung erlitten hatten 6 7, wobei die dokumentierten Verletzungen auf unangemessenen Kontakt mit Objekten und unkontrollierte Bewegungen wie Wenden, Verdrehen, Ausrutschen und Stürze zurückzuführen waren. Bei vielen dieser Verletzungen handelte es sich um Probleme des Weichteilgewebes, überwiegend im Bereich der Schulter, des Rückens und des Halses. Man geht davon aus, dass viele dieser Verletzungen wahrscheinlich das Resultat einer chronischen oder wiederholten Überbeanspruchung sind. Diensthunde müssen in ihren Einsätzen in unvorhersehbarer Umgebung, in wechselndem Gelände und mit den unterschiedlichsten Hindernissen arbeiten, und dies oft mit sehr hohen Geschwindigkeiten. Man kann daher davon ausgehen, dass Dienst- und Arbeitshunde ganz ähnlichen Verletzungen infolge chronischer Überbeanspruchung ausgesetzt sind wie Agility-Hunde. Bestimmte Verletzungen und Probleme werden bei Diensthunden jedoch gehäuft beobachtet.
Aufgrund der Anforderungen beim Springen sind die Karpal- und Schultergelenke besonderen Belastungen ausgesetzt. Hyperextensionsverletzungen des Karpalgelenks sind in der Regel traumatischen Ursprungs und die Folge von Sprüngen aus großen Höhen oder der Arbeit auf unebenem Gelände. Der Karpus ist eine hochkomplexe Struktur, deren Stabilität durch unterstützende Bänder, Sehnen und dem Faserknorpel des Karpo-Metakarpalgekenks erreicht wird. Wiederholtes Springen kann das Risiko einer Degeneration dieser stützenden Strukturen erhöhen. Es kann daher von Vorteil sein, insbesondere das Aussteigen dieser Hunde aus ihren Dienstfahrzeugen auf kontrollierte Weise ablaufen zu lassen.
Es handelt sich um eine spezielle Weichteilgewebeerkrankung, die eine biomechanische Lahmheit der Beckengliedmaßen verursacht. Aktiv arbeitende Schäferhunde scheinen am anfälligsten für diese Erkrankung zu sein, wobei es sich Berichten zufolge bei 90 % der betroffenen Hunde um Deutsche oder Belgische Schäferhunde handelt, und etwa 40 % dieser Hunde aktiven Schutzdienst leisten 8. Bei Hunden mit dieser Erkrankung wird normales Muskelgewebe durch fibrotisches, unelastisches Bindegewebe ersetzt, überwiegend im Bereich des M. gracilis und des M. semitendinosus (Box 1). Die Folge ist eine funktionelle Verkürzung der betroffenen Muskeln und eine mechanische Lahmheit aufgrund einer eingeschränkten Streckfähigkeit des Kniegelenkes. Auslösender Faktor für diesen fibrotischen Prozess können geringgradige chronische Mikrotraumata der Muskelfasern infolge einer exzessiven und explosiven Aktivität sein. Die wirksamste Behandlung oder Intervention ist gegenwärtig noch nicht definiert. Der Verdacht eines Zusammenhangs mit wiederholten Muskelverletzungen spricht jedoch dafür, dass gezielte Stretching-Programme zu einer Reduzierung der Prävalenz beitragen könnten. Eine regelmäßige Beurteilung der myofaszialen Strukturen könnte eine frühzeitige Diagnose unterstützen und damit zukünftig erfolgreiche Behandlungen ermöglichen.
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Der Anstieg der Prävalenz der degenerativen lumbosakralen Stenose ist ein besorgniserregender Trend bei Militärarbeitshunden, da diese Erkrankung nicht nur die Länge der Laufbahn als Diensthund, sondern letztlich auch die Qualität und die Länge des Lebens der betroffenen Hunde beeinflusst. Eine Studie analysierte die Patientenakten von 927 Militärarbeitshunden und fand heraus, dass degenerative Gelenkerkrankungen (19,2 %) und Rückenmarksschmerzen/Cauda-equina-Syndrom (15,6 %) häufige Gründe für eine Euthanasie waren 9. Eine andere Studie berichtet, dass 30 % der Militärarbeitshunde unter einer Erkrankung des Rückenmarks litten, die eine häufige Ursache für das Ausscheiden aus dem Dienst war 10. Belastungen durch bestimmte körperliche Aktivitäten und rasseassoziierte strukturelle Besonderheiten können Veränderungen in der Lumbosakralregion fördern und eine degenerative lumbosakrale Stenose hervorrufen, die zu einer veränderten Biomechanik, nervenassoziierten oder neuropathischen Schmerzen und neurologischer Dysfunktion beitragen kann 11 (Abbildung 4).
Ein wichtiger Schwerpunkt im Hundesport und in der tierärztlichen Sportmedizin ist die Verletzungsprävention. Die Vermeidung der Entstehung entsprechender Probleme ist bei Diensthunden vor allem deshalb wichtig, weil Verletzungen letztendlich die Leistungsfähigkeit eines Individuums insgesamt beeinträchtigen und betroffene Hunde aufgrund von erworbenen Verletzungen unter Umständen frühzeitig aus dem Dienst zurückgezogen werden müssen. Viele Hunde werden für bestimmte Zwecke ausgewählt, weil sie die gewünschten körperlichen Merkmale und das erwünschte Verhalten zeigen, um die vorgesehenen Aufgaben effektiv und effizient erfüllen zu können. Unsere Aufgabe ist es, durch Förderung ihrer körperlichen Fitness, die Leistungsfähigkeit dieser Hunde zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie langfristig verletzungsfrei arbeiten können.
Tara R. Edwards
Fitness an beiden Enden der Leine ist die Voraussetzung für ein gut funktionierendes Team. Ein Konditionierungsprogramm kann hier von Nutzen sein, um eine hohe Leistungsfähigkeit des Hundes zu fördern, das Verletzungsrisiko zu reduzieren und die Erholung nach Verletzungen zu optimieren. Ein solches Programm sollte gezielt auf den individuellen Bedarf des einzelnen Hundes ausgerichtet sein und seine spezifischen Aufgaben berücksichtigen, da verschiedene Tätigkeiten zu unterschiedlichen körperlichen Beanspruchungen und Belastungen des Körpers führen können. Eine adäquate Konditionierung erweist sich aufgrund des zeitlichen Aufwandes aber oft als eine große Herausforderung. Um eine entsprechende Langlebigkeit und Nachhaltigkeit der Effekte eines solchen Programmes zu erreichen, muss die Konditionierung eines Hundes jedoch über seinen eigenen Antrieb hinausgehen. Im Idealfall sollte die Konditionierung deshalb als eine zusätzliche Aktivität über das reguläre Training und die reguläre Arbeit des Hundes hinaus betrachtet werden.
Ein Konditionierungsprogramm zur Verbesserung der Ausdauer sollte spezifisch auf die Maximierung der Sauerstoffnutzung ausgerichtet sein, während bei Tieren, die mehr Kraft benötigen, eine Steigerung von Leistung und Beschleunigung im Zentrum steht. Eine hohe Ausdauer ist wichtig für Diensthunde mit lang andauernden Tätigkeiten (z. B. eine Spurensuche), während Kraft insbesondere bei kurzen Einsätzen sehr hoher Intensität benötigt wird 12. Diensthunde sind einzigartige Athleten, die eine Kombination aus aerober und anaerober Konditionierung benötigen, um ihre maximale Kraft- und Ausdauerkapazität zu erreichen. Primäres Ziel eines Konditionierungsprogrammes ist die Maximierung der körperlichen Fitness eines Hundes und eine Verbesserung des kardiovaskulären und des muskuloskelettalen Systems. Ein adäquates Programm sollte schrittweise Steigerungen der Dauer, der Häufigkeit und der Intensität der Übungen ermöglichen, damit sich das kardiovaskuläre und das muskuloskelettale System an eine höhere Beanspruchung gewöhnen und entsprechend anpassen können. Ein ideales Konditionierungsprogramm umfasst die Aspekte Ausdauer, Krafttraining, Balance- und Core-Training, Propriozeption, Stretching, Aufwärmen und Abkühlen.
Tara R. Edwards
Die Verbesserung der Ausdauer bei Diensthunden kann die Erhöhung der Leistungsfähigkeit und die Reduzierung der Ermüdung unterstützen. Gezielt unterstützt wird die Entwicklung der Ausdauer durch Übungen, die zu erhöhter Herz- und Atemfrequenz führen. Beispiele für solche Ausdaueraktivitäten sind länger anhaltendes Schwimmen und Joggen. Die bevorzugte Gangart für das Ausdauertraining an Land ist der Trab, eine symmetrische Zweitakt-Gangart, die im Unterschied zum Galopp oder Kanter (langsamer Galopp) beide Körperseiten gleichmäßig trainiert. Um Fortschritte im Bereich der Ausdauer zu erreichen, ist eine Steigerung der Trainingsdauer oder des Trainingsvolumens aber nicht immer die ideale Lösung. Bei hoch trainierten menschlichen Ausdauersportlern wurde beispielsweise festgestellt, dass entsprechende Leistungsverbesserungen nur durch hochintensives Intervalltraining zu erreichen sind, mit anderen Worten: bei Langstreckenläufern werden zusätzlich zum Ausdauertraining Sprintprogramme eingesetzt 13.
Eine fehlende oder mangelhafte Konditionierung kann zu schlechter Ausdauer, Ermüdungsproblemen und/oder Hitzeerschöpfung führen. Die Prävention einer Überhitzung ist insbesondere bei Arbeitshunden in heißer oder feuchter Umgebung ein wichtiger Punkt. Ausdauertraining fördert die effizientere und effektivere Reaktion des Körpers auf solche Situationen. Hundeführer haben zwar keinen Einfluss auf die Umgebungstemperatur im Einsatzgebiet, die individuelle körperliche Fitness des Hundes hat aber Auswirkungen auf seine Thermoregulation und die Körperinnentemperatur. Eine fehlende oder mangelhafte Konditionierung führt zu einer Erhöhung der Körpertemperatur, übermäßigem Hecheln und offener Maulatmung, wodurch letztlich die olfaktorische Wahrnehmung des Hundes und damit die Geruchsarbeit beeinträchtigt werden. Auch bestimmte Arzneimittel wie Metronidazol beeinträchtigen den Geruchssinn und sollten daher bei Suchhunden nach Möglichkeit vermieden oder sehr vorsichtig eingesetzt werden 14.
Unter Krafttraining bei Menschen versteht man meist das Training mit Gewichten oder das so genannte Powertraining, das aus einer Kombination von Krafttraining und Schnelligkeit besteht (plyometrisches Training). Bei kaninen Athleten besteht das Krafttraining in erster Linie darin, den Hund dazu zu veranlassen, sein eigenes Körpergewicht über kurze Distanzen zu tragen. Agility-Geräte sind für das Krafttraining hervorragend geeignet, da sich der Hund über, unter und durch Hindernisse hindurchbewegen muss. Agility-Geräte wie Tunnels zwingen den Hund dazu, seinen Körper näher am Boden vorwärts zu bewegen und trainieren dadurch insbesondere die Muskelgruppen der Schulter, einschließlich M. biceps, M. triceps und Mm. pectorales. Equipment für die Erstellung von Hindernisbahnen – wie Laufsteg, A-Wand, Treppen, Leitern, Slalomstangen und Hürden trainieren insbesondere die Beckengliedmaßen und die paraspinale Muskulatur (Abbildung 5).
Zur Kernmuskulatur des Hundes gehören die abdominalen und paraspinalen Muskeln. Diese Muskelgruppen spielen eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung des Körpers während einer Bewegung. Eine Stärkung dieser muskulären Kraftpakete verbessert die Funktionalität und die Beweglichkeit. Der Rücken von Diensthunden ist aufgrund der Art ihrer Bewegungen bei der Arbeit erheblichen Belastungen ausgesetzt. Ohne ausreichende Stärke dieser Kernmuskulatur („Core Strength“ oder „Kernstärke“), wird der Rücken nicht ausreichend gestützt und kann durch die insbesondere bei rotatorischen und explosiven Bewegungen auftretenden Kräfte verletzt werden (Abbildung 6). Es hat sich gezeigt, dass Hunde mit degenerativer lumbosakraler Stenose eine paraspinale Muskelatrophie aufweisen, ein Befund, der oft auch bei Menschen mit chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich erhoben wird 15. Das Training der Kernmuskulaturstärke ist unschätzbar wertvoll bei der Arbeit mit bestimmten Rassen oder bei Hunden mit besonderen körperlichen Voraussetzungen, die für bestimmte Erkrankungen des Rückenmarks prädisponieren. Gegenwärtig laufen Studien, um herauszufinden, welche Rolle Konditionierungsprogramme bei der Erhöhung der paraspinalen Muskelmasse bei Hunden mit gering- bis mittelgradigen lumbosakralen Schmerzen haben können. Viele Übungen mit aufblasbaren Geräten fokussieren sich auf die Balance und fördern die Entwicklung der Kernstärke (Abbildung 7).
Die Propriozeption spielt eine wichtige Rolle bei der räumlichen Wahrnehmung, also der Fähigkeit des Körpers, Bewegungen wahrzunehmen und zu erkennen, wo sich die Gliedmaßen und die Gelenke im Raum befinden. Propriozeption ist für das tägliche Funktionieren erforderlich, aber noch wichtiger für die Ausführung koordinierter und komplizierter Bewegungen im Sport. Das propriozeptive System besteht aus speziellen Nerven, die entsprechende Informationen weiterleiten, und wird gefördert durch spezielles Training, das einen positiven Einfluss auf Koordination, Agilität, Stabilität und das Gleichgewicht hat und damit letztlich auch das allgemeine Verletzungsrisiko senken kann. Die Bereicherung des Trainings durch Übungen auf unterschiedlichem Gelände sowie der Einsatz von aufblasbaren Geräten, Cavalettis, Agility-Equipment oder Hindernisparcours sind einfache Mittel und Wege, um das räumliche Bewusstsein eines Hundes zu fördern.
Unter Stretching versteht man das Ausüben einer geringen Spannung auf einen Muskel. Gezieltes Stretching erhöht nicht nur die Muskelflexibilität, sondern auch die Gelenkbeweglichkeit. Bei Menschen minimieren regelmäßige Stretching-Programme nicht nur Muskelverletzungen, sondern können auch die Kraft und die Geschwindigkeit der Muskelkontraktionen erhöhen, so dass in der Summe eine höhere Muskelleistung entsteht. In der humanmedizinischen Literatur herrscht allerdings kein Konsens über die Anwendung von Stretching zur Reduzierung des Verletzungsrisikos vor einem Ereignis. Man geht davon aus, dass Stretching unmittelbar vor einem Ereignis tatsächlich sogar die Leistungsfähigkeit der Muskeln reduzieren kann, indem es die Geschwindigkeit und die Kraft der Muskelkontraktionen reduziert 16. Der Hauptvorteil einer Verbesserung der Muskelflexibilität liegt in der Reduzierung des Risikos muskulärer Mikroverletzungen. Bei Hunderassen mit hohem Risiko für die Entwicklung einer fibrotischen Myopathie könnte ein regelmäßiges Stretching-Programm der hinteren Oberschenkelmuskeln also von Vorteil sein (Abbildung 8a) (Abbildung 8b) (Abbildung 8c). Der größte Gewinn an Flexibilität wird erreicht, wenn Stretching regelmäßig über längere Zeiträume durchgeführt wird. Im Idealfall erfolgt das Stretching an aufgewärmten Muskeln, da unter diesen Bedingungen eine höhere Dehnbarkeit und eine höhere Compliance des Gewebes bestehen. Bei Hochleistungshunden sollte alle zwei Tage ein Stretching-Programm in Erwägung gezogen werden, insbesondere für Muskeln, die an schnellen Leistungsexplosionen beteiligt sind.
Aktives Aufwärmen erhöht die Muskeltemperatur und stellt eine adäquate Sauerstoffversorgung der Muskulatur sicher. Dadurch können sich die Muskeln kräftiger kontrahieren und haben eine verbesserte Dehnbarkeit, wodurch sich das Verletzungsrisiko reduziert. Arbeitende Muskeln erhalten einen größeren Anteil des Blutflusses, wodurch es unter anderem zu einem verbesserten Abtransport von Milchsäure kommt, einem Nebenprodukt der Muskelkontraktionen, das eine Rolle bei der Muskelermüdung spielen kann. Einfaches fünf- bis zehnminütiges Aufwärmen, bestehend aus Aktivitäten geringer Intensität wie Gehen oder leichtem Traben, kann die Vorbereitung der Muskeln des Hundes auf ein kommendes Training oder einen bevorstehenden Arbeitseinsatz unterstützen. Im Idealfall kann das Aufwärmen vor einer Trainingseinheit, vor Konditionierungsübungen oder vor einem Arbeitseinsatz die Leistungsfähigkeit des Hundes verbessern und Verletzungen vorbeugen 17. Die Dauer des Aufwärmens sollte nach Möglichkeit der Umgebungstemperatur angepasst werden (d. h., längeres Aufwärmen bei kühlem Wetter und kürzeres Aufwärmen bei heißem/feuchtem Wetter) 18.
Das Abkühlen (Cooldown) im Anschluss an eine körperliche Aktivität kann ebenso wichtig sein wie die Übungen zum Aufwärmen vor dem Training oder vor dem Einsatz. Das Hauptziel des Abkühlens ist das langsame Absinken von Atemfrequenz, Herzfrequenz und Körpertemperatur in den Normalbereich. Wie oben erwähnt ist Milchsäure ein Endprodukt starker Muskelkontraktionen und kann bei Akkumulation zu einer Absenkung des pH-Wertes führen, die eine Muskelermüdung und Muskelbeschwerden zur Folge haben kann. Das Abkühlen über fünf bis zehn Minuten mit leichtem Trab, gefolgt von einfachem Gehen sorgt dafür, dass sich die Blutversorgung wieder neu verteilen kann und unterstützt den Abtransport überschüssiger Stoffwechselnebenprodukte. Darüber hinaus gibt die Cooldown-Phase besonders erregten und „übermotivierten“ Diensthunden die Gelegenheit zur emotionalen Entspannung, bevor sie wieder in ihren Zwinger oder in das Transportfahrzeug gesetzt werden.
Verletzungen treten aufgrund der spezifischen Arbeit, die Diensthunde verrichten müssen, mehr oder weniger zwangsläufig auf. Muskelverletzungen kommen sowohl bei humanen als auch bei tierischen Athleten extrem häufig vor und können akuter oder chronischer Natur sein. Sie können das Resultat einer mangelhaften Flexibilität, eines unzureichenden Aufwärmens, einer Muskelermüdung, plötzlicher heftiger Kontraktionen, einer Kraftimbalance oder eines Übertrainings sein. Akute Muskelverletzungen sind eine Folge plötzlicher Muskelfaserrisse, während es sich bei chronischen Muskelverletzungen um eine Akkumulation kleinerer Risse handelt, die aufgrund von permanenter Überbeamspruchung des Muskels nie richtig ausheilen können (Abbildung 9).
Rehabilitation ist ein integraler Bestandteil der medizinischen Standardversorgung bei orthopädischen Erkrankungen und bei muskuloskelettalen Verletzungen. Die Ziele der Rehabilitation bei Diensthunden sind die Unterstützung der Erholung, die Minimierung des Risikos einer rezidivierenden Verletzung und die Förderung der Wiederaufnahme des Trainings bzw. der Arbeit. In den meisten Geweben verläuft die Heilung in ähnlichen Stadien, das heißt, Entzündung, Reparatur und Reifung. Die Reparaturphase ist die Phase, in der die Rehabilitation letztlich die Heilung so steuern kann, dass die Gewebestärke maximiert wird (Abbildung 10). Typische Stadien der Rehabilitation sind eine frühe akute Phase, eine intermediäre Übergangsphase, eine späte Muskelaufbauphase und schließlich eine Wiederherstellungsphase mit Rückkehr zum sport- oder arbeitsspezifischen Training. Da die propriozeptiven Fähigkeiten nach einer Verletzung oft eingeschränkt sind, kann es bei betroffenen Hunden zu subtilen Veränderungen der Muskelkontrolle kommen. Die gezielte Verbesserung der Propriozeption mit Hilfe spezifischer Übungen kann die Wiederherstellung eines wettbewerbsfähigen Levels bei diesen Patienten unterstützen.
Während einer lang andauernden Erkrankung oder nach einem abdominalen chirurgischen Eingriff (Magendilatation/Magentorsion, Fremdkörperentfernung, Splenektomie) befindet sich der Körper in einem Stadium der Dekonditionierung. Aufgrund des eingeschränkten Trainings kommt es zu einem Verlust an kardiovaskulärer Fitness und muskuloskelettaler Integrität. Ein strukturiertes Rehabilitationsprogramm fördert die schrittweise Rückkehr zur körperlichen Aktivität. So kann sichergestellt werden, dass der Hund unabhängig von seinem mentalen Zustand körperlich in der Lage ist, die Arbeit wieder aufzunehmen.
Ein umfassendes Screening zur Sicherstellung einer soliden orthopädischen Basis und regelmäßige muskuloskelettale Untersuchungen oder „sportmedizinische Checks“ fördern bei Diensthunden ein frühzeitigeres Erkennen muskuloskelettaler Probleme (Box 2) (Abbildung 11). Bei dieser Patientenpopulation sind muskuloskelettale Erkrankungen oft Prädispositionen für Leistungseinschränkungen aufgrund von zugrundeliegenden Schmerzen oder schnellerem Fortschreiten eines Krankheitsprozesses infolge übermäßiger Belastung.
Die frühen Symptome einer Verletzung werden bei Diensthunden oft durch eine Kombination von Antrieb („Drive“) und Adrenalin maskiert. Geringgradige Verletzungen können bei einer klinischen Untersuchung sehr schwierig zu erkennen sein, da in diesen Fällen oft nur minimale Gewebeveränderungen vorhanden sind. Bei Menschen mit geringgradigen Muskelzerrungen ist die Beschreibung von leichtem Schmerz oft der Schlüsselfaktor für die Diagnose. Hundeführer sollten nach jeder anstrengenden Arbeitsschicht mit hohen Belastungen routinemäßig eine schnelle „5-Minuten-Untersuchung“ ihrer Hunde durchführen (Box 3). Durch die regelmäßige Palpation gewinnt der Betreuer des Hundes ein besseres Verständnis davon, was „normal“ ist bei seinem Hund, und erhöht dadurch die Chancen, erste geringgradige Veränderungen bereits frühzeitig zu erkennen (Abbildung 12). Die Fähigkeit, Verletzungen bereits in ihren Frühstadien zu erkennen, ist unschätzbar wertvoll, sowohl für eine erfolgreiche therapeutische Intervention als auch für die Prävention einer Verschlimmerung kleinerer Verletzungen oder das Verhindern einer ungünstigen Entwicklung in Richtung chronischer leistungseinschränkender Erkrankung.
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Der Erhalt eines idealen Body Condition Scores bei Diensthunden ist von herausragender Bedeutung für den langfristigen Erhalt der Gelenkgesundheit und der Leistungsfähigkeit insgesamt. Hunde in guter körperlicher Verfassung können ihre Aufgaben besser meistern, während Übergewicht unter anderem zu Problemen bei der Thermoregulation führt und die Geruchsarbeit beeinträchtigen kann. Mit steigendem Body Condition Score nehmen die auf die Gelenke einwirkenden Scherkräfte zu, und die Verletzungsanfälligkeit insgesamt steigt. Übergewicht und Adipositas steigern darüber hinaus nicht nur die Häufigkeit, sondern auch den Schweregrad von Osteoarthrose. In der Literatur ist oft die Rede davon, dass 20 % aller adulten Hunde von Osteoarthrose betroffen sind, aber erst vor kurzem wurde im Rahmen einer Studie eine Prävalenz von 37 % bei Hunden im Alter von über einem Jahr festgestellt 19. Die Anzahl übergewichtiger Individuen in der Hundepopulation steigt schnell an, und es gibt Evidenzen für einen Zusammenhang zwischen Länge der Lebensspanne und Body Condition Score 20. So konnte unter anderem gezeigt werden, dass Hunde, die energierestriktiv gefüttert werden im Vergleich zu ad libitum gefütterten Hunden erst später im Leben Osteoarthrose entwickeln und eine längere Lebenserwartung haben 21 22 23 24.
Arthrose ist die häufigste Ursache von Schmerzen bei Gesellschaftstieren, und arthrosebedingte Schmerzen können die Leistungsfähigkeit von Sport- und Diensthunden direkt beeinträchtigen. Aufgrund ihrer Arbeitsanforderungen haben Diensthunde ein hohes Belastungsrisiko ihrer Gelenke. Degenerative Gelenkerkrankungen verursachen Veränderungen von Bewegungen und Bewegungsabläufen, die zu einer Überkompensation durch andere Gelenke und Muskeln führen. Diese Veränderungen können zu Muskelermüdung führen und die Verletzungsanfälligkeit insgesamt erhöhen. Im Sinne einer erfolgreichen Arthroseprävention sind eine frühzeitige Diagnose und frühzeitige die Einleitung eines multimodalen Arthrose-Plans (Box 4) ganz entscheidend für eine Verlängerung der Arbeitskarriere von Diensthunden.
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In diesem Zusammenhang muss zudem betont werden, dass die Ernährung bei Dienst- und Sporthunden eine signifikante Rolle spielt, da sie nicht nur die passende Menge an Energie liefern muss, sondern auch das Risiko von Erkrankungen und deren Fortschreiten mindern sollte. Es gibt zahlreiche verschiedene Futtermittelsupplemente und spezielle Nahrungen, deren primäre Indikation die Förderung einer langfristigen Gelenkgesundheit ist. Als Teil eines multimodalen Arthrose-Plans werden häufig chondroprotektive Substanzen eingesetzt, um das Fortschreiten von Osteoarthrose zu verlangsamen. Solche Produkte enthalten oft, aber nicht nur, Omega-3-Fettsäuren aus Fischölen (EPA & DHA), Avocado- und Sojaölextrakt, Kurkumin, Grünteeextrakt, Grünlippmuschelextrakt, Glukosamin und Chondroitinsulfat.
Die präventive Gesundheitsfürsorge bei Diensthunden ist heute weit fortgeschritten und umfasst klinische Untersuchungen, zahnmedizinische Maßnahmen, Laborscreenings, Ernährungsberatung, Parasitenkontrolle und Impfungen. Die Schwerpunkte des relativ neu aufkommenden Bereiches der veterinärmedizinischen Sportmedizin liegen auf der Beeinflussung der körperlichen Fitness von Dienst-, Arbeits- und Sporthunden und der Förderung einer langen „beruflichen“ Karriere dieser Tiere. Letztlich fördert dies die Bindung zwischen Hundeführern und Arbeitshunden, und die praktische Tiermedizin kann mit einer guten Wissensbasis eine entscheidende Rolle bei der Einleitung adäquater Strategien zur Maximierung der Verletzungsprävention spielen.
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Tara R. Edwards
Dr. Edwards schloss ihr Tiermedizinstudium 2002 am Western College of Veterinary Medicine ab und erhielt 2006 das Diplom zum Canine Rehabilitation Therapist (CCRT). Zurzeit arbeitet sie in einer privaten Praxis mit Verantwortung für die Abteilung Rehabilitation und Akupunktur. Ihr Hauptinteresse gilt der Verbesserung der Versorgung geriatrischer Tiere durch Optimierung des Schmerzmanagements und der veterinärmedizinischen Orthetik – sie ist zertifiziert als Veterinary Pain Practitioner (CVPP) von der International Veterinary Academy of Pain Management. Mehr lesen
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