Praxisketten - Korporatisierung in der Tiermedizin
Die explosionsartige Steigerung der Korporatisierung im Bereich tierärztlicher Praxen über die vergangenen 20 Jahre kann man nur als phänomenal bezeichnen...
veröffentlicht 17/12/2020
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Wie sollte ein Besitzer von Arbeitshunden seine Tiere füttern, damit sie ihre maximale Leistungsfähigkeit erreichen und behalten? Veerle Vandendriessche gibt Hinweise und Tipps aus ihrer Sicht als Expertin für Tierernährung.
Die Nahrung muss individuell auf den einzelnen Arbeitshund zugeschnitten werden, wobei eine 9-stufige Body Condition Skala als primäre Bezugsgröße für die Berechnung der Tagesrationen dient.
Der Protein- und Energiebedarf von Arbeitshunden kann sich signifikant vom Bedarf eines durchschnittlichen Haushundes unterscheiden.
Auch wenn die Anzahl der in einer durchschnittlichen Kleintierpraxis vorgestellten Arbeitshunde eher gering sein dürfte, müssen wir als Tierärzte in der Lage sein, ihre Besitzer richtig zu beraten, da diese Hunde sehr spezifische Ernährungsbedürfnisse haben. Um einen Überblick über die verschiedenen bei diesem Thema zu berücksichtigenden Faktoren zu erhalten, diskutiert dieser Artikel zunächst kurz und kompakt, wie die Muskelphysiologie während einer körperlich anstrengenden Aktivität funktioniert und fasst anschließend die Bedürfnisse unterschiedlicher Typen von Arbeitshunden zusammen. Für die Ernährungsberatung kann es hilfreich sein, diese Hunde in die folgenden Kategorien zu unterteilen:
Entscheidend ist, dass im Rahmen der Beratung der Besitzer von Arbeitshunden nicht nur der tatsächliche Ernährungsbedarf dieser Tiere berücksichtigt wird, sondern darüber hinaus auch weitere Umwelt- und Managementfaktoren, die diesen kaninen Athleten helfen können, ihr Leistungspotenzial voll auszuschöpfen.
Während der körperlichen Aktivität benötigen Muskeln ATP (Adenosintriphosphat) als Energielieferanten. Diese Verbindung kann aus verschiedenen Quellen bezogen werden, und zwar sowohl aus dem Muskel selbst (endogene Quellen) als auch aus anderen Organen (exogene Quellen). Wenn Sauerstoff verfügbar ist, findet in den Mitochondrien der Zellen ein aerober Stoffwechsel statt (Oxidation von Glykogen, Fettsäuren und Aminosäuren), während bei Abwesenheit von Sauerstoff ein anaerober Stoffwechsel im Zytoplasma abläuft (Abbildung 1). Welche Energiequellen genutzt werden, wird durch die Art und die Intensität der Arbeit bestimmt, aber auch durch die Kondition und den Ernährungszustand des körperlich aktiven Hundes.
Es gibt vier wichtige Stoffwechselwege der Energiebereitstellung: die Kreatinphosphat (KrP)-Reaktion und die Glykolyse in Abwesenheit von Sauerstoff sowie die Kohlenhydratoxidation und die Fettoxidation, die nur sattfinden können, wenn Sauerstoff vorhanden ist. Die beiden ersten Stoffwechselwege können ATP aus endogenen Speichern im Muskel synthetisieren und bereitstellen, und zwar bereits während der ersten Sekunden (KrP) oder Minuten (Glykogen) einer körperlichen Anstrengung. Sie sind daher sehr wichtig für kurz andauernde, hoch intensive Aktivitäten, wie zum Beispiel das Sprinten und das Ziehen von Gewichten. Die vollständige Oxidation von Kohlenhydraten und Fettsäuren versorgt die Muskeln über längere Zeiträume (Stunden) mit Energie und ist daher die wichtigste Energiequelle für Aktivitäten niedriger bis moderater Intensität, wie zum Beispiel Jagen, Agility, Polizeiarbeit (Abbildung 2) oder das Ziehen eines Schlittens.
Während der körperlichen Aktivität entstehen auch Nebenprodukte mit negativen Auswirkungen wie Wärme, Säuren (CO2 und Milchsäure) und freie Radikale. Hunde leiten überschüssige Wärme über das Hecheln ab, während das aerob gebildete CO2 über das renale System oder über den Atemtrakt eliminiert wird. Die anaerobe Bildung von Milchsäure führt zu einer sehr schnellen Einschränkung der Muskelfunktionalität, weil ein suboptimaler Muskel-pH-Wert wichtige Muskelenzyme hemmt. Ist ein Hund nicht mehr in der Lage, überschüssige Wärme in ausreichendem Maße über das Hecheln abzugeben, steigt seine Körpertemperatur, und die Funktionalität der Muskeln nimmt ab. Effektives Training steigert nicht nur die endogene Speicherkapazität des Muskels, es erhöht darüber hinaus auch die Anzahl der Mitochondrien in den Muskelzellen und die Gesamtkapazität der Lunge. In der Kombination führt dies zu einer Steigerung der Leistungsfähigkeit des Hundes bei der Arbeit.
Die Menge und die Art der Nahrung für einen Arbeitshund sind von zahlreichen verschiedenen Faktoren abhängig. Dazu gehören die Intensität und die Dauer der Arbeit, aber auch verschiedene Umweltfaktoren wie die Umgebungstemperatur (nicht nur während der Arbeitszeit, sondern auch während der Ruhe/Erholung), das Gelände, in dem die Arbeit stattfindet und das Temperament des Hundes. Der Kalorienverbrauch während des Trainings und während der Arbeit kann zwar anhand einer Einschätzung der Geschwindigkeit und der Intensität der zu leistenden Arbeit durchaus vorhergesagt werden, wichtig ist aber auch die Berücksichtigung der Entfernung, die ein Hund während einer Arbeitsphase zurücklegen muss.
Es gibt zwar entsprechende Leitlinien des NRC (National Research Council), die als Ausgangspunkt für Rationsberechnungen genutzt werden können, jedes einzelne Tier sollte aber stets individuell beurteilt werden. Der 9-stufige Body Condition Score (BCS) ist die wichtigste physische Bezugsgröße für die Rationsberechnung bei Arbeitshunden. Bei Hunden mit körperlichen Aktivitäten niedriger bis moderate Intensität sollte ein BCS von 4 oder 5 gehalten werden, während Hunde mit Aktivitäten hoher Intensität in der Regel auf einem BCS von 3 bis 4 gehalten werden. Hunde in den Kategorien hohe und moderate Intensität benötigen in der Regel nicht mehr als das Doppelte des für Gesellschaftshunde empfohlenen Erhaltungsenergiebedarfs (Maintenance Energy Requirement; MER) 1, während Hunde in der Kategorie niedrige Intensität/lange Dauer das bis zu Sechsfache des MER benötigen, zum Beispiel während der Rennsaison. Diese Variabilität des Energiebedarfs hat auch Auswirkungen auf die zu empfehlenden Hauptenergiequellen in den spezifischen Nahrungen. Während Hunde in der Kategorie hohe/moderate Intensität Energie sowohl aus verdaulichen Kohlenhydraten als auch Fetten benötigen, brauchen Hunde mit Aktivitäten niedriger Intensität hauptsächlich Fett als Energiequelle und nur vernachlässigbare Mengen verdaulicher Kohlenhydrate 2. Im Unterschied zu Athleten anderer Spezies (Mensch, Pferd), bei denen nach einem Workout nachweislich ein schnelles Wiederaufladen und Nachfüllen der Glykogenspeicher erfolgt, führen entsprechende Studien bei Hunden zu widersprüchlichen Ergebnissen. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Muskelphysiologie kann man jedoch davon ausgehen, dass Hunde in den Kategorien moderate und hohe Intensität während der körperlichen Aktivität einige ihrer Glykogenspeicher nutzen, die (idealerweise) so effizient wie möglich wiederaufgefüllt werden. Deshalb ist es ratsam, einen Teil des Energiebedarfes bei diesen Hunden in Form von verdaulichen Kohlenhydraten zuzuführen. Hunde, die Arbeit hoher Intensität ausführen, sollten mindestens 40 % oder mehr ihrer Kalorien aus der Fraktion der stickstofffreien Extraktstoffe (NfE) ihrer Nahrung erhalten (d. h., aus verdaulichen Kohlenhydraten,), während bei Hunden mit moderat intensiver Aktivität 15-40 % der Kalorien aus der NfE-Fraktion stammen sollten. Zu berücksichtigen ist, dass die Glykogenspeicher durch Training adäquater Intensität und Art vergrößert werden können, so dass die Leistungsfähigkeit eines Hundes durch die Verzögerung des Einsetzen einer Azidose verbessert wird.
Veerle Vandendriessche
Schlittenhunde bilden vielleicht eine ganz eigene Klasse, wenn es um die Ernährung geht (Abbildung 3). Wie man sich vorstellen kann, erweist sich die Menge an Futter, die ein Schlittenhund physiologischerweise täglich aufnehmen kann, als ein limitierender Faktor. Mehr als 60 % der Energie sollten bei diesen speziellen Athleten daher in Form von Fett zugeführt werden, weil Fett eine sehr hohe Energiedichte hat. Aus diesem ernährungsphysiologischen Grund und zum Teil auch aus finanziellen Erwägungen heraus füttern einige Schlittenhundebesitzer ihre Tiere mit selbst zubereiteter Nahrung, die auch einige rohe Komponenten beinhalten kann. Das Pro und Contra einer solcher Ernährungsform wird an anderen Stellen in der Literatur intensiv beleuchtet und deshalb in diesem Artikel nicht weiter diskutiert, wobei das Risiko einer bakteriellen Kontamination (z. B. Salmonellen, Campylobacter spp.) an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben sollte. Wichtig bei der Fütterungsberatung ist immer der Hinweis auf die Sicherstellung der Ausgewogenheit dieser Nahrungen durch eine geeignete Supplementierung mit einer Vitamin-/Mineralstoff-/Spurenelemente-Vormischung, um die Leistungsfähigkeit der auf diese Weise gefütterten Hunde zu fördern.
Verschiedene Arbeitshunde haben auch einen unterschiedlichen Proteinbedarf. Während des Trainings und sicherlich auch während der Arbeit oder während des Sports ist der Proteinumsatz dieser Hunde erhöht, auch wenn im Einzelfall schwierig zu bestimmen ist, in welchem Ausmaß. Die Proteinempfehlungen für die verschiedenen Intensitätskategorien unterscheiden sich jedoch kaum: Nahrungen für Hunde, die hoch intensive oder kurz dauernde moderat intensive Arbeit verrichten, sollten zwischen 24 und 28 % Protein (Trockenmasse) aus qualitativ hochwertigen Proteinquellen enthalten, während die Nahrungen für Tiere, die lang andauernde, moderat oder niedrig intensive Leistungen erbringen > 30 % Protein (Trockenmasse) enthalten sollten 3. Als Faustregel gilt, dass die zugeführten Proteine ausreichen sollten, um den anabolen Bedarf des Hundes zu decken, während gleichzeitig in ausreichendem Maß Nicht-Protein-Energiequellen (Fett und NfE) zur Deckung des Energiebedarfes zugeführt werden sollten.
In Anbetracht der Bedeutung des Respirationstraktes und des renalen Systems für eine optimale Funktion des Körpers während und nach einer körperlichen Anstrengung darf an dieser Stelle auch die wichtige Bedeutung der Trinkwasserversorgung nicht übersehen werden. Generell gilt, dass frisches Trinkwasser nach Möglichkeit immer zugänglich sein sollte, im Idealfall also vor, während und nach einer körperlichen Anstrengung. Eine Ausnahme von dieser Regel bilden Sprinthunde, bei denen vor einem Rennen gelegentlich Wasser vorenthalten wird, um den Ballast zu reduzieren.
Eine weitere wichtige Überlegung gilt der Verdaulichkeit der Nahrung. Je höher die Verdaulichkeit, desto weniger Futter ist erforderlich, um die Hunde mit der notwendigen Energie zu versorgen und desto weniger Kotmasse wird produziert. Zu empfehlen sind daher Nahrungen mit einer Trockenmasseverdaulichkeit von > 80 %. Hinzu kommt, dass – wie oben diskutiert – bei bestimmten Aktivitäten hoher und moderater Intensität die Glykogenspeicher während der körperlichen Anstrengung teilweise oder sogar vollständig entleert werden. Bei Hunden, die auf mehrtägigen Events Leistung bringen müssen, kann ein Kohlenhydrat-Boost nach körperlicher Anstrengung das schnelle Wiederauffüllen dieser Speicher unterstützen.
Wie bei jedem Prozess im Körper werden auch während körperlicher Anstrengungen freie Radikale gebildet, die normalerweise durch die verfügbaren Antioxidanzien (z. B. Vitamin E, Vitamin C und Selen) neutralisiert werden. Im Falle einer überschüssigen Produktion freier Radikale entsteht jedoch oxidativer Stress. Bei humanen Sportlern ist dieses Phänomen als chronische Muskelerkrankung oder Übertraining bekannt. Bei der Empfehlung einer antioxidativen Supplementierung der Nahrung muss berücksichtigt werden, dass hohe Dosen eines einzelnen Antioxidans in der Tat sogar einen pro-oxidativen Effekt haben können und deshalb vermieden werden sollten 4. Vorzuziehen ist deshalb immer eine niedrig dosierte Multiantioxidanzien-Supplementierung, da Vitamin E, Vitamin C und Selen synergistisch wirken. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die empfohlenen Supplementierungen der Nahrung von Arbeitshunden mit häufig eingesetzten Antioxidanzien. Zu beachten ist jedoch, dass bei sämtlichen Überlegungen zum Zusatz einer Multivitamin-Mineralstoff-Vormischung pauschale Empfehlungen ohne sorgfältige Analyse der Ernährung des Tieres nie eine gute Idee sind.
(Tabelle 2) gibt eine kurze Zusammenfassung der verschiedenen Faktoren, die bei der Beratung des Besitzers eines Arbeitshundes hinsichtlich seines Ernährungsbedarfes berücksichtigt werden sollten.
Aktivität hoher Intensität und kurzer Dauer |
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Aktivität moderater Intensität und moderater bis langer Dauer |
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Aktivität niedriger Intensität und langer Dauer |
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Eine kurze Erwähnung von Welpen, die als Arbeitshunde vorgesehen sind, ist an dieser Stelle gerechtfertigt, da Umwelt- und Ernährungsfaktoren die zukünftige athletische Leistungsfähigkeit eines heranwachsenden Hundes in erheblichem Maße beeinflussen können. In erster Linie sollten diese Tiere mit einer speziellen Welpennahrung gefüttert werden, die spezifisch auf ihr zu erwartendes adultes Körpergewicht ausgerichtet ist. So benötigen beispielsweise Welpen großer Rassen eine Nahrung mit weniger Kalorien und einem angepassten Kalziumgehalt, die es ihnen ermöglicht, dauerhaft schlank zu bleiben, um der Entstehung von Übergewicht vorzubeugen und ein zu schnelles Wachstum zu vermeiden. Werden diese Aspekte bei der Ernährung nicht berücksichtigt, können osteochondrotische Läsionen, Skelettanomalien und Hüftgelenksdysplasie entstehen. Hoch intensives Training sollte bei Hundewelpen generell vermieden werden, bis das Skelettwachstum abgeschlossen ist. Training niedriger Intensität kann dagegen bereits bei Welpen während des dynamischen Wachstums durchgeführt werden.
Mindestens eine Studie zeigt darüber hinaus, dass vorteilhafte Effekte auf die frühe Leistungsfähigkeit und das Verhaltenstraining über eine Modifizierung der Aufnahme der Omega-3-Fettsäure DHA (Docosahexaensäure) bei Hundewelpen bis zum Alter von einem Jahr erreicht werden können. In diesem Bereich sind jedoch weitere Forschungsarbeiten erforderlich, da die in der genannten Studie eingesetzte Nahrung weitere zusätzliche Nährstoffe enthielt, die das Lernen und das Gedächtnis positiv beeinflussen könnten (z. B. Vitamin E, Taurin, Cholin und L-Carnitin) 5.
Bei der Fütterungsberatung muss berücksichtigt werden, dass sich die Ernährungsbedürfnisse von Arbeitshunden nicht nur in Abhängigkeit von Art und Intensität ihrer körperlichen Aktivität unterscheiden, sondern dass darüber hinaus auch zahlreiche extrinsische Faktoren eine Rolle spielen können. Tierärzte sollten deshalb jeden Arbeitshund individuell betrachten und Ernährungsempfehlungen immer auf der Grundlage einer sorgfältigen Beurteilung seiner Aktivitäten geben. Darüber hinaus müssen aber auch die individuellen körperlichen und emotionalen Eigenheiten des Tieres berücksichtigt werden.
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Zicker SC, Jewell DE, Yamka RM, et al. Evaluation of cognitive learning, memory, psychomotor, immunologic, and retinal functions in healthy puppies fed foods fortified with docosahexaneoic acid-rich fish oil from 8 to 52 weeks of age. J Am Vet Med Assoc 2012;241:583-594.
Veerle Vandendriessche
Dr. Vandendriessche schloss ihr Tiermedizinstudium 2005 an der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Gent in Belgien ab und arbeitete acht Jahre Mehr lesen
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